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Wirtschaftliche Lage Ende des 20. Jahrhunderts

Vergleicht man mit dieser Frühzeit von Technik und Industrie die heutige wirtschaftliche Lage Aachens, dann ergeben sich interessante Entwicklungslinien. Die Aachener Tuche, für die einst in dieser Stadt der erste deutsche mit Dampf betriebene Webstuhl aufgestellt wurde und die um die Jahrhundertwende und später auf dem Weltmarkt bedeutend waren, werden heute nur noch in wenigen Betrieben produziert, die aber ihrerseits immer noch einen großen Anteil der deutschen Tuche und Kleiderstoffe herstellen. Die traditionelle Nadelindustrie ­ ebenfalls ein altes Aachener Gütesiegel ­ hat sich inzwischen auf Maschinennadeln spezialisiert und soll hier fast die Hälfte des Weltbedarfs herstellen. Das einst größte Thomasstahlwerk, das Hüttenwerk Rothe Erde, mit zeitweise 7000 Beschaftigten, wurde nach dem Ersten Weltkrieg stillgelegt und ist jetzt durch große Zweigniederlassungen einer Reifenfirma und eines Elektrokonzerns ersetzt. Trotzdem arbeiten innerhalb des produzierenden Aachener Gewerbes immer noch die meisten Menschen in den Betrieben der Metallerzeugung sowie des Stahl­, Maschinen­ und Fahrzeugbaus. Erst danach folgen die anderen Produktionsbereiche wie Elektrotechnik oder Chemie. Die für Aachen lange Zeit so charakteristische Textil­ und Glasbranche stellt heute nur noch einen 10%igen Anteil in der Gesamtzahl der Beschäftigten der produzierenden Gewerbe.

Zudem wird die immer noch starke industrielle Basis des Aachener Wirtschaftsraumes von der zunehmenden Bedeutung des Dienstleistungssektors verdrängt. Sich hier zu behaupten, heißt deswegen die regionale Industriestruktur ständig zu modernisieren und weiter zu diversifizieren. Die nötigen Impulse kann hierzu nicht zuletzt die Technische Hochschule Aachen liefern, die vor bald 125 Jahren 1870 als erste Polytechnikumsgründung in Preußen und in dessen frühindustrialisierter Rheinprovinz von den Aachenern in Stadt und Wirtschaft geschaffen wurde und heute zu einem Aushängeschild ihrer wirtschaftsfreundlichen Stadt sowie in der europäischen Hochschullandschaft geworden ist. Dazu tragen die wissenschaftliche Kompetenz der RWTH Aachen in Forschung und Lehre genauso bei wie die vielen europäischen und anderen ausländischen Studierenden oder auch das moderne Klinikum, das im euregionalen Raum als medizinisches Hochleistungszentrum gilt. Schließlich bietet der Europäische Binnenmarkt weitere wichtige Ansätze und Chancen der wirtschaftlichen Entfaltung.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges galten die Region und die Stadt Aachen nicht nur als stark zerstörte Siedlungsgebiete der alten Bundesrepublik, sondern waren zudem von den belgischen und niederländischen Nachbarn durch die dicht geschlossenen Grenzen weitgehend abgeschnitten. Aachen war damit wie schon öfters in seiner jüngeren Geschichte wieder Grenzstadt geworden bzw. geblieben. An dieser Randlage änderten der Wiederaufbau Deutschlands oder die besondere Förderung des Bergbaus nur wenig. Erst mit der Schaffung der EWG, später dann EG wurden diese Nachteile einer nationalen Grenzsituation zunehmend abgeschwächt. Die Grenzen wurden durchlässiger für Erwerbstätige von hüben und drüben, für entsprechende Firmenkooperationen und Zweigwerksgründungen, für die Wohnplatzwahl oder den Einkaufs­ und Freizeitverkehr.

Diese wirtschaftliche Vernetzung und menschliche Verknüpfung hat in der Schaffung einer Euregio Maas-Rhein ihren politischen und administrativen Ausdruck gefunden, der jetzt noch erweitert und vertieft werden dürfte, da nunmehr die einzelnen Teilregionen des Grenzraumes durch den Binnenmarkt in eine wirklich zentrale und damit höchst vorteilhafte Lage gelangen. Zwei Stunden vom Ruhrgebiet und Rhein bzw. vom Welthafen Antwerpen und vom eurokratischen Zentrum Brüssel entfernt oder in drei Stunden von Frankfurt im Rhein­Main­Gebiet bzw. von den niederländischen Seehäfen in Rotterdam und Amsterdam bzw. von dem nordfranzösischen Zentrum Lille erreichbar, erhalten Aachen, Lüttich und Maastricht wesentliche Standortvorteile, die die hiesige Region mit ihrem Ausbildungs­ und Technologiepotenzial, mit ihrem Wohn­ und Freizeitwert, mit ihrem hohen Erschließungsgrad, mit ihrer Mehrsprachigkeit zu einer europäischen Zentrallandschaft gestalten lassen und ihr jene Bedeutung verleihen könnten, die sie einst zur Zeit der Karolinger und Karls des Großen einmal besessen hat.