80. Jahrestag des Kriegsendes in Aachen
Lieber Herr Bundesminister a.D. Joschka Fischer,
liebe Frau US-Generalkonsulin Preeti Shah,
lieber Herr Ministerpräsident der Deutschsprachigen Gemeinschaft, Oliver Paasch,
lieber Herr Minister Oliver Krischer und Abgeordnete,
liebe Gäste aus Arlington, Halifax, Belgien und den Niederlanden,
liebe Ratsmitglieder,
liebe Vertreter*innen der Kirchen- und Glaubensgemeinschaften,
liebe Mitglieder des konsularischen Korps,
liebe Aachenerinnen und Aachener,
liebe Vertreterinnen und Vertreter der Erinnerungskultur, der Völkerverständigung und des bürgerschaftlichen Engagements,
ich begrüße Sie herzlich hier im Krönungssaal des Aachener Rathauses.
In diesem ehrwürdigen Raum, der so viele Geschichten unserer Stadt erzählen könnte, sind wir zusammengekommen, um eines der bedeutendsten Ereignisse unserer Geschichte zu würdigen: das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren und den Beginn einer neuen Ära der Freiheit und Demokratie für Aachen.
Freiheit und Demokratie sind wichtige Werte, die uns ermöglichen, in einer Gemeinschaft zu leben, in der jede Stimme zählt und jeder Mensch sein Leben nach seinen eigenen Vorstellungen gestalten kann.
Diese Werte sind jedoch bedroht und es liegt in unserer Verantwortung, aktiv für sie zu kämpfen und sie für die kommenden Generationen zu bewahren.
Am 21. Oktober 1944 kapitulierte Aachen als erste deutsche Großstadt im Zweiten Weltkrieg. Diese Kapitulation markierte das Ende der nationalsozialistischen Herrschaft und den Anfang eines Neubeginns.
Viele unserer Vorfahren, die diese Zeit miterlebt haben, verbinden mit diesem Datum das Gefühl der Befreiung – eine Befreiung von Unterdrückung, Angst und Unmenschlichkeit.
Auch meine Schwiegermutter erlebte als damals 8-jähriges Mädchen das Kriegsende. Sie saß mit ihrer ausgebombten Familie in einem Weinkeller im Paulinenwäldchen.
Die Wunden waren tief und die Verluste schwer.
Die Stadt war zu einem Trümmerfeld geworden, und die Narben der Zerstörung prägten die Menschen, die hier lebten.
Die erste Bilanz: Nur noch 6.000 Aachener*innen lebten in der Stadt, Zehntausende Häuser waren zerstört, es gab drei Millionen Kubikmeter Schutt, sechs verbliebene Maurer und drei Schreiner.
Trotz dieser düsteren Ausgangslage und all der Herausforderungen, die der Wiederaufbau mit sich brachte, war Aachen eine Stadt des frühen Neuanfangs.
Noch während der Krieg in Europa tobte, begann hier eine neue demokratische Ära.
Amerikanische Soldaten und zivile Helfer, unterstützt von mutigen Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt, legten den Grundstein für die demokratische Gesellschaft, in der wir heute leben. Aachen wurde zum Symbol für den Wiederaufbau, zum Vorbild für den Neubeginn und zur Gestalterin für die Demokratie.
Heute, 80 Jahre später, ist Aachen eine Stadt des Friedens, der Kultur und der Verständigung.
Wir feiern 80 Jahre Frieden, 80 Jahre des Zusammenwachsens und der Partnerschaften. Gäste aus unseren Partnerstädten Arlington und Halifax wie auch aus unseren Nachbarstädten Eupen und Heerlen stehen heute gemeinsam mit uns hier, um diesen besonderen Moment zu teilen. Die Freundschaft und das Vertrauen, das uns mit ihnen verbindet, sind der lebendige Beweis für die Kraft der Versöhnung und des gegenseitigen Verständnisses.
Doch wir wissen, dass der Friede und die Demokratie, die wir heute genießen, keine Selbstverständlichkeit sind. Sie sind ein wertvolles Gut, das geschützt und gepflegt werden muss.
Heute, wo die Stimmen der Zeitzeugen immer weniger werden, ist es unsere Aufgabe, ihre Geschichten weiterzutragen.
Die Erinnerung an die Vergangenheit ist kein Blick zurück, sondern ein Appell an uns alle, nach vorn zu schauen.
Die Demokratie ist kein statisches Geschenk, sie ist ein fortwährender Prozess, ein immerwährender Kampf für unsere Rechte und Freiheiten.
Lasst uns heute nicht nur feiern, sondern auch eine Verpflichtung eingehen.
Eine Verpflichtung, uns für das einzusetzen, was Generationen vor uns erkämpft haben.
Lassen Sie uns weiterhin für die Freiheit und die Demokratie arbeiten, die in diesen Mauern so lebendig verkörpert werden.
In einer Zeit, in der demokratische Werte weltweit infrage gestellt werden, liegt es an uns, ein klares Zeichen zu setzen. Wir stehen für ein Europa, das geeint ist im Streben nach Frieden, ein Europa, das auf Toleranz und Mitmenschlichkeit gegründet ist. Dieser Tag ist ein Anlass, uns zu erinnern, zu feiern, und uns erneut zu verpflichten: Für Aachen, für unsere Partnerstädte, für unsere Kinder und Enkel.
Dieser Tag gibt uns die Kraft und den Mut, uns weiterhin für eine Welt einzusetzen, in der Frieden, Freiheit und Demokratie nicht bloße Ideale bleiben, sondern gelebte Realität sind.
Ich danke Ihnen.