„Wie sich die Innenstadt von morgen anfühlt“
#stadtvonmorgen: Frau Keupen, welche stadtstrategische Relevanz hat das Thema Innenstadt für Sie?
Sibylle Keupen: Es hat eine sehr hohe Relevanz. Die Innenstadt ist das Brennglas der Zukunftsherausforderungen einer Stadt. Hier kommen alle Themen zusammen, und hier müssen wir zeigen, dass wir die wichtigen Zukunftsaufgaben lösen, und der Stadtgesellschaft Perspektiven eröffnen. Die Innenstadt ist der zentrale Ort einer Stadt, auf den alle schauen und an dem sie ihre Identität generiert. Es gilt also, alle Akteurinnen und Akteure und Kräfte für die Innenstadt zu bündeln, um eine möglichst große Wirkung für eine positive Entwicklung zu entfalten.
#stadtvonmorgen: Sie sagen, die Innenstadt sei das Brennglas der Zukunftsherausforderungen einer Stadt. Vor welchen zentralen Herausforderungen steht denn die City?
Sibylle Keupen: Allgemein befinden sich Städte im Umbruch. Wir sind in einer Situation, in der traditionelle Konzepte wie das der autogerechten Stadt und das der Stadt des Handels so nicht mehr zukunftsfähig sind. Wir erleben Leerstände und, dass Straßenzüge sich in ihrer Funktion verändern. Dies fordert uns dazu auf, die Räume zu füllen – mit neuen Nutzungen, neuen Ideen und neuen Formaten. In diesem Zusammenhang steht auch die Organisation der Verkehrswende: mit weniger Autos, vor allem in der Innenstadt, einer Stärkung des Umweltverbunds und kollektiven Mobilitätsangeboten. Dies führt zu einem Umbau des öffentlichen Raums. Wir wollen Straßen aktivieren mit Stadtgrün und hoher Aufenthaltsqualität für die Menschen. Zudem stellt sich für Innenstädte die Frage der Klimaanpassung: Wie machen wir sie stark für Hitzesommer, wie schützen wir sie vor Starkregen? Wie schaffen wir die Voraussetzungen, dass die Menschen in der Stadt gerne, gesund und klimagerecht leben? Schließlich ist die Innenstadt als sozialer Ort einer Großstadt zu begreifen. Dies hat eine psychosoziale Bedeutung. Wir verzeichnen eine Zunahme von alleinwohnenden Menschen. Aus gesundheits- und sozialpolitischer Sicht ist also dafür Rechnung zu tragen, dass die Innenstadt ihrer Funktion als Begegnungs- und Erlebnisraum gerecht wird. Stärken wir die Innenstadt, hat dies umfassende Effekte auf die Lebenswelt der Menschen.
#stadtvonmorgen: Nun startet in Aachen der „Zukunftsprozess Innenstadtmorgen“. Dabei setzen sie gezielt auf eine Bürgerbeteiligung. Warum binden Sie die Bürger in den Planungs- und Entwicklungsprozess ein?
Sibylle Keupen: Soeben habe ich die soziale Dimension der Innenstadtentwicklung angesprochen. Damit das soziale Leben funktioniert, müssen die Voraussetzungen dafür bestenfalls von vielen Menschen getragen und erarbeitet werden. Wir wollen die Stadt für die Menschen und mit den Menschen entwickeln. Je mehr sich daran beteiligen, umso besser gelingt es uns. Eine Planung von oben nach unten – wie es etwa bei der Umsetzung des Konzepts der autogerechten Stadt war – ist aus der Zeit gefallen. Die Menschen haben den Willen zur Mitbestimmung und vermehrt das Bedürfnis, sich einzubringen. Sie wollen und sind eingeladen Teil der Veränderung sein. Beispielsweise funktioniert die Verkehrswende nur, wenn Menschen mitmachen. Transformation ist eine Mitmachaufgabe.
#stadtvonmorgen: …, die wann gelöst sein wird?
Sibylle Keupen: Wir werden wohl keinen Punkt erreichen, an dem eine Innenstadt für die Ewigkeit steht. Leben ist Veränderung, und aktuelle Krisen zeigen umso mehr, wie sehr wir uns auf immer neue Situationen einstellen müssen. Ähnliches gilt für die Innenstadt: Deren Entwicklung ist eine ständige Zukunftsaufgabe mit hoher Komplexität. Es gibt dafür keine Masterplanlinie, die wir stur in die Umsetzung bringen. Diese Dynamik, innerhalb des Prozesses zu agieren und in stetiger Veränderung gemeinsam mit der Stadtgesellschaft an den besten Lösungen für die Zukunft zu arbeiten, birgt Gestaltungschancen und ist Herausforderung zugleich. Das Beispiel Klimaschutz zeigt: Erfolg stellt sich nur ein, wenn viele mit anpacken.
#stadtvonmorgen: Das heißt, die gesamte Stadtgesellschaft wirkt mit.
Sibylle Keupen: Das ist unser Ziel. Es geht darum, Synergien zu heben und im Zusammenwirken neue Potentiale und neue Lösungsansätze zu erschließen. Innenstadtentwicklung ist eine Gemeinsaftsaufgabe, und deshalb ist es so wichtig, die wesentlichen Kräfte dafür zusammenzuführen und einzubeziehen. Dabei haben wir die Chance, die Zukunft der Stadt greifbar zu machen. Denn was wir in der Innenstadt schaffen, strahlt auf andere soziale und städtebauliche Einheiten ab. Den Glauben an Veränderung und die konkreten Lösungen, die wir im Zentrum als Best Practices vormachen, wollen wir folglich auch in anderen Quartieren und Bezirken ausrollen.
#stadtvonmorgen: Sie sagen, die Innenstadtentwicklung sei ein laufender, nie abgeschlossener Prozess. Dennoch: Wie sieht Ihre Aachener Innenstadt von morgen aus?
Sibylle Keupen: Ich habe diesbezüglich weniger eine visuelle Vorstellung als vielmehr die emotionale Perspektive, wie sich die Innenstadt von morgen anfühlt. Sie ist lebendig, bunt und vielfältig. Es ist eine Stadt, die in entspanntem Tempo daherkommt und so Sicherheit auch für Kinder und gehandicapte oder ältere Menschen bietet. Sie zeichnet sich durch einen Nutzungsmix und eine Angebotsvielfalt aus. Sie ist grün und durchzogen von Wasser. Sie ist stark, selbstbewusst und resilient für ihre Zukunft aufgestellt.