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Aachens älteste Wohnhäuser stehen in Kornelimünster

  • In Kornelimünster befinden sich die ältesten weiterhin als Wohngebäude genutzten Gebäude auf dem Stadtgebiet. Die Top 5 liegen am Benediktusplatz und Korneliusmarkt.
  • Denkmalbehörde der Stadt Aachen hat spezielle naturwissenschaftliche Verfahren eingesetzt, um die Alter der Gebäude exakt bestimmen zu können.
  • Die Forschungsarbeiten wurden unter anderem im Nachgang zum verheerenden Hochwasser möglich, als mehrere Eigentümer*innen von betroffenen historischen Gebäuden im Indetal mit den städtischen Denkmalexperten in den Austausch kamen.

Aachens derzeit bekanntes ältestes Wohnhaus steht im historischen Ortskern von Kornelimünster. Das haben aktuelle Bauforschungen der städtischen Denkmalbehörde ergeben. Das Gebäude steht in seiner immer noch existierenden Grundsubstanz seit 1438 am Benediktusplatz 20. Im unmittelbaren Umfeld sind im Rahmen der wissenschaftlichen Untersuchungen weitere besonders alte Wohngebäude entdeckt worden. Sie gruppieren sich ebenfalls um den Ortskern in Kornelimünster und wurden auf die Jahre 1468, 1474, 1480, und 1490/91 datiert.

Foto: Stadt Aachen
Aachens ältestes derzeit bekanntes Wohnhaus: Aktuelle Forschungen der Denkmalpflege haben ergaben, dass das Gebäude Benediktusplatz 20 seit dem Jahr 1438 existiert. Fotos: Stadt Aachen / Stefan Herrmann

Das Geheimnis des Gebäudealters steckt im Dachstuhl
Die für die Aachener Baugeschichte neuen und bedeutenden Erkenntnisse hat Dr. Andreas Priesters von der Unteren Denkmalbehörde der Stadt Aachen gemeinsam mit Fachleuten des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) und dank der Erlaubnis der jeweiligen Eigentümer*innen, die Gebäude genauer unter die Lupe nehmen zu dürfen, herausgefunden. Priesters erläutert zum Gebäude Benediktusplatz 20: „Hinter der Steinfassade versteckt sich ein noch in Teilen spätgotisches Fachwerkhaus mit vollständig erhaltenem Dach, rückseitiger Giebelwand, Deckenbalken und Kamin. Bemerkenswert ist aber auch der barocke Umbau, zu dem auch die Steinfassade gehört, die wir heute sehen können.“

Doch wie gelingt es Experten wie Priesters überhaupt, ein fast 600 Jahre altes Gebäude so genau datieren zu können?  „Wir greifen hier auf ein aufwendiges naturwissenschaftliches Verfahren zurück, sogenannte dendrochronologische Untersuchungen“, erklärt Priesters. Denn das Geheimnis des Alters können Fachleute am ehesten beim Blick tief in den Dachstuhl lüften. Die Dachstühle der genannten Gebäude in Kornelimünster stammen nämlich noch aus den mittelalterlichen Zeiten und sind gut erhalten. „Bei der Dendrochronologie werden aus Balken Bohrkerne gezogen und im Labor ausgewertet. Die unterschiedlichen Abstände der darin ablesbaren Jahresringe des Baumes, aus dem die Balken hergestellt wurden, sind so spezifisch, dass man diese in regionale Chronologien einsortieren und im besten Fall so das Fälljahr des Baumes, das heißt den letzten gewachsenen Jahrring, definieren kann. Da die Hölzer in der Regel frisch verbaut wurden, erhält man damit auch ein Baujahr oder zumindest einen begrenzten Zeitraum, als das Holz verbaut wurde“, führt Priesters aus.

Foto: Stadt Aachen
Die Holzprobe verrät das Alter: Dank Bohrkernen aus den alten Dachstühlen kann Dr. Andreas Priesters von der Denkmalbehörde der Stadt Aachen das Alter der Gebäude bestimmen. 

Heutige Steinfassaden kamen erst in der Barockzeit dazu
In Kornelimünster führten vor allem die Zerstörungen durch die Flutkatastrophe im Sommer 2021 dazu, dass viele Eigentümer*innen von betroffenen historischen Häusern in Kornelimünster mit der Denkmalbehörde in Kontakt kamen. In Folge von Bestandsaufnahmen und Sanierungsarbeiten erhielt der städtische Fachmann Priesters die Chance, direkt vor Ort Bauforschung zu betreiben – mit nun vorliegenden bemerkenswerten Ergebnissen. „Gerade in Kornelimünster stellte sich dadurch heraus, dass die meisten Fassaden aus der Barockzeit, die wir heute sehen, einem deutlich älteren (Fachwerk-)Haus nur vorgestellt sind. Die Eichenholz-Dachstühle, Keller, hintere Fassaden und Innenstrukturen der ursprünglichen Bauten wurden trotz jüngerer Umbauten immer weiter genutzt und haben sich bis heute erhalten. Schließlich war Holz teuer. Ab dem 16. Jahrhundert fand dann ein zunehmender Ersatz der Fachwerkteile in Steinbauweise statt“, erklärt Andreas Priesters weiter.

Darum sind die Gebäude in Aachen selbst meist jünger
Und warum sind in der Aachener Innenstadt nicht ebenso alte Wohn- und Geschäftsgebäude in ihrer Grundstruktur erhalten geblieben? Monika Krücken, Leiterin der Aachener Denkmalbehörde, nennt den Grund: „In Aachen selbst ist – nach bisherigem Sachstand – kein Dach älter als 1656. In diesem Jahr brannten rund 90 Prozent im verheerenden Aachener Stadtbrand ab. Somit sind die Dachstühle und Holzwerke, die dann auch noch den Zweiten Weltkrieg überlebt haben, in der Aachener Innenstadt rar gesät und nicht älter, ähnliches gilt für Burtscheid.“ Wenn es noch mittelalterliche Bausubstanz in der Aachener Innenstadt gibt, dann beschränkt sich diese – neben wenigen exponierten Bauten wie dem Dom, den erhaltenen Stadttoren, dem Rathaus und dem heute vom Zeitungsmuseum genutzten Gebäude in der Pontstraße – in der Regel auf Keller und Wände der Untergeschosse. Diese sind für Experten allerdings mitunter schwer zu datieren. 

Mit den neuen Erkenntnissen aus Kornelimünster erweitert die städtische Denkmalbehörde in jedem Fall Aachens eh schon reiche Geschichte um weitere spannende Aspekte. Nicht ausgeschlossen, dass in Zukunft die nun bekanntgewordene „Top 5“ der ältesten Wohnhäuser schon wieder aktualisiert werden muss. Denn: „Wir forschen, wo es uns möglich ist, weiter in Aachens historischem Gebäudebestand“, versichern Monika Krücken und Andreas Priesters.

Foto: Stadt Aachen
Die Plätze 2, 3 und 4: Viele der ältesten Wohnhäuser Aachens stehen in Kornelimünster. Unter den Top 5 befinden sich auch die Gebäude 2) Korneliusmarkt 52, Korneliusmarkt 54 (1476) sowie das Eckhaus Korneliusmarkt 56 / Benediktusplatz 2 (1480).

Die Top 5
Das sind Aachens älteste derzeit bekannte Wohnhäuser. Die jeweiligen Entstehungsjahre der Gebäude sind durch dendrochronologische Untersuchungen festgestellt worden:

1) Benediktusplatz 20 (1438): Hinter der Steinfassade versteckt sich ein noch in Teilen spätgotisches Fachwerkhaus mit vollständig erhaltenem Dach, rückseitiger Giebelwand, Deckenbalken und Kamin; bemerkenswert ist der barocke Umbau, zu dem auch die Steinfassade gehört.

2) Korneliusmarkt 54 (1468): Hinter der großen, zweigeteilten Steinfassade verbirgt sich ein weitgehender spätgotischer Fachwerkbau mitsamt Dachstuhl. 

3) Korneliusmarkt 52 (1476): Eine unscheinbare, relativ schmale Steinfassade aus dem späten 18 Jahrhundert, dahinter verbirgt sich jedoch wie bei den Nachbarn ein spätgotisches Gebäude, das 1552 rückwärtig erweitert wurde

4) Korneliusmarkt 56 / Benediktusplatz 2 (1480): Ein in Kornelimünster bekanntes und prägnantes großes Fachwerk-Doppelhaus. Bereits in den 1980er Jahren ist es von Frau Prof. Schild mit Studierenden der RWTH untersucht worden. Es besticht durch die einzig sichtbare Fachwerkfassade im für städtische Fachwerkbauten typischen Aussteifungen der Gefache (die Flächen zwischen den senkrechten und horizontalen Balken) mit Andreaskreuzen.

5) Benediktusplatz 24 (1490/91): Aus zwei Gebäuden zusammengewachsen; der rechte Hausteil mit Dachstuhl stammt im Kern aus den Jahren 1490/91, der linke Teil an der Ecke zur Korneliusstraße wurde um 1630 angebaut. Heute wird das Gebäude durch eine breite Fassade geprägt - unten mit vermutlich barocken Blausteinplatten, oben mit Jugendstilelementen.

Weitere Infos zur Bauforschung
Die Bauforschung ist eine Fachdisziplin im Rahmen der Denkmalpflege und Architekturgeschichte. Es gibt freie Büros, Bauforschungs-Abteilungen in den Landesämtern für Denkmalpflege und auch bei der Stadt Aachen ist die Bauforschung Bestandteil der Arbeit der Unteren Denkmalbehörde - ebenso wie die Archäologie, mit der es durchaus Überschneidungen gibt. Das vertiefte Wissen über die Geschichte eines Bauwerks kann als Planungs- und Arbeitsgrundlage herangezogen werden und wirft häufig ein ganz neues Licht auf ein Gebäude. Denkmale zu erforschen und diese Ergebnisse im angemessenen Rahmen zu veröffentlichen, ist übrigens als Arbeitsauftrag im Denkmalschutzgesetz NRW verankert.

Die „Suche“ nach den ältesten Wohnhäusern auf dem Stadtgebiet ist kein explizit formuliertes Ziel, gestaltet sich de facto für Fachleute auch durchaus schwierig. Eine Frage, die sich in dem Kontext stellt, ist die nach der Definition: Zählt auch ein Haus dazu, das nur zeitweise als Wohnhaus genutzt wurde? Schwierig auch die Frage, wie viel denn von einem Gebäude überhaupt noch "alt" ist. Vom ältesten Aachener Rathaus, dem Grashaus, sind beispielsweise nur noch verhältnismäßig geringe Teile wirklich mittelalterlich, der Großteil entstammt dem 19. Jahrhundert.

Schließlich waren auch unsere Vorfahren immer schon an geschmäcklerischen Umgestaltungen und baulichen Anpassungen interessiert oder wurden dazu verpflichtet, wenn zum Beispiel der Landesherr Massivbauweise statt Holzbau forderte, so geschehen in diversen Brandschutzverordnungen seit dem 16. Jahrhundert. Und noch etwas berücksichtigen Expert*innen : Die vielfach über historischen Türen oder in Aktenstücken angegebenen Jahreszahlen müssen nicht unbedingt mit dem tatsächlichen Baujahr übereinstimmen sondern benennen oft nur eine Bauphase oder sind in seltenen Fällen auch wiederverwendet.

Herausgegeben am 12.12.2024

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