Das Archivale des Monats Mai 2019…
- … zeigt die erste Seite des vollständigen Abdrucks des Grundgesetzes, der am 9. Mai 1949 in der Aachener Volkszeitung (AVZ) zu finden war.
- Der Parlamentarische Rat erarbeitete das Grundgesetz im Auftrag der drei westlichen Besatzungsmächte als Fundament für das neue deutsche Staatswesen nach dem Ende des nationalsozialistischen Deutschen Reiches und nahm es am 8. Mai 1949 mit 53 gegen 12 Stimmen angenommen.
- Die AVZ kommentierte die Verabschiedung des Grundgesetzes unter anderem mit: „Vier Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation der politischen und militärischen Machthaber des nationalsozialistischen Regimes, vier Jahre nach diesem völligen politischen Zusammenbruch ist jetzt für wenigstens 45 Millionen Deutsche wieder eine staatliche Grundlage geschaffen worden.“
Das Aachener Stadtarchiv zeigt aus seinen Magazinen regelmäßig interessante Stücke als Archivale des Monats. Die Archivale mit einem kurzen Begleittext wird entsprechend in einem Schaukasten im Foyer des Stadtarchivs am Reichsweg sowie digital auf der Homepage des Archivs präsentiert. Die Archivale des Monats Mai 2019 zeigt so die erste Seite des vollständigen Abdrucks des Grundgesetzes, der am 9. Mai 1949 in der Aachener Volkszeitung (AVZ) zu finden war.
„Der Parlamentarische Rat hat am 23. Mai 1949 in Bonn am Rhein in öffentlicher Sitzung festgestellt, das am 8. Mai des Jahres 1949 vom Parlamentarischen Rat beschlossene Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland in der Woche vom 16. bis 22. Mai 1949 durch die Volksvertretungen von mehr als Zweidritteln der beteiligten deutschen Länder angenommen worden ist. Auf Grund dieser Feststellung hat der Parlamentarische Rat, vertreten durch seine Präsidenten, das Grundgesetz ausgefertigt und verkündet.“
Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt
Mit dieser Eingangsformel des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland wird der Weg zur endgültigen Festlegung der Bundesrepublik auf ihre Verfassung knapp beschrieben. Nur Bayern hatte dem Text nicht zugestimmt. Mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt wurde das Grundgesetz wirksam.
Der Parlamentarische Rat, dessen Mitglieder von den Landesvertretungen gewählt worden waren, hatte das Grundgesetz im Auftrag der drei westlichen Besatzungsmächte USA, Großbritannien und Frankreich als Fundament für das neue deutsche Staatswesen nach dem Ende des nationalsozialistischen Deutschen Reiches erarbeitet und am 8. Mai 1949 mit 53 gegen 12 Stimmen angenommen.
Verfassung für das „gesamte deutsche Volk“
Die Militärgouverneure der westlichen alliierten Besatzungsmächte genehmigten am 12. Mai die neue Verfassung, die nicht so hieß, weil das Saarland und die von der Sowjetunion besetzten Landesteile nicht über den Gesetzestext mitbestimmen konnten, eine Verfassung für die Urheberinnen und Urheber des Grundgesetzes aber nur für das gesamte deutsche Volk vorstellbar war. Nach der sogenannten Wiedervereinigung wurde die Präambel des Grundgesetzes dahingehend abgeändert, dass das Grundgesetz als Verfassung für das „gesamte deutsche Volk“ gilt. Das Grundgesetz setzt sich zusammen aus einer Präambel, den Grundrechten und einem organisatorischen Teil. Es beinhaltet die wesentlichen staatlichen System- und Werteentscheidungen und steht im Rang über allen anderen deutschen Rechtsnormen.
Staatliche Grundlage für 45 Millionen Deutsche
In Aachen verfolgten die Tageszeitungen die Einführung des Grundgesetzes rege. Die Aachener Volkszeitung (AVZ) kommentierte am 9. Mai 1949 die Verabschiedung des Grundgesetzes differenziert: „Vier Jahre nach der bedingungslosen Kapitulation der politischen und militärischen Machthaber des nationalsozialistischen Regimes, vier Jahre nach diesem völligen politischen Zusammenbruch ist jetzt für wenigstens 45 Millionen Deutsche wieder eine staatliche Grundlage geschaffen worden. Damit werden jetzt für Westdeutschland die drei Zonen und ihre Militärregierungen verschwinden. An ihre Stelle wird eine deutsche, aus freien Volkswahlen hervorgehende deutsche Regierung treten und die alliierte Kontrolle überwachenden Charakter annehmen.“
Eine fast unlösbare Aufgabe
Kritsch sah der unbekannte Kommentator die Sonderweg der sowjetisch besetzten Zone und die fehlende Berücksichtigung religiöser Inhalte im Grundgesetz – eine Kritik, die sich wohl auch stark in damaligen Leserbriefen der AVZ wiederfand. Vor dem Hintergrund der gewaltigen Aufgabe, die die Erarbeitung des Grundgesetzes für die Mitglieder des Parlamentarischen Rats dargestellt hatte, zeigte sich der Kommentator jedoch versöhnlich: „Ihre Aufgabe war fast unlösbar, und mehr als einmal schien es auch, als solle sie scheitern. Nun, da sie doch zum Ende ausgeführt wurde, obliegt es uns, sich mit dem verabschiedeten Grundgesetz im Einzelnen auseinanderzusetzen und uns des Weges bewusst zu werden, der seit dem 8. Mai 1945 bewältigt wurde. Wissen wir noch, wie es damals aussah? Wer sich daran erinnert, wird denen aufrichtig danken, die diese Kärrnerarbeit leisten mussten und die nun ‚im Bewusstsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen‘ ihre Kräfte einsetzten, um dem deutschen Volke wieder eine staatliche Ordnung zu geben.“
Die Archivale des Monats zeigt die erste Seite des vollständigen Abdrucks des Grundgesetzes, der am 9. Mai 1949 in der AVZ zu finden war. Für die Bevölkerung Aachens war dies das erste Mal, dass sie die Verfassung vor sich sahen und sich damit auch auf sie berufen konnten.