Das Archivale des Monats Juni 2019…
- … zeigt eine Seite des „Merkbuchs für den Nachtdienst“ des städtischen Militärbüros vom 17. Juni 1919.
- Der Friedensvertrag von Versailles gab den Siegermächten die Möglichkeit, an den Standorten ihrer Besatzungstruppen von den Kommunen die Einquartierung ihrer Besatzungssoldaten zu verlangen.
- Ein Städtische Militärbüro wurde eingerichtet, um die Ansprüche der Besatzungsverwaltung umzusetzen und um Ausweise und Quartierscheine auszustellen
Das Aachener Stadtarchiv zeigt aus seinen Magazinen regelmäßig interessante Stücke als Archivale des Monats. Die Archivale mit einem kurzen Begleittext wird entsprechend in einem Schaukasten im Foyer des Stadtarchivs am Reichsweg sowie digital auf der Homepage des Archivs präsentiert. Die Archivale des Monats Juni 2019 zeigt so eine Seite des „Merkbuchs für den Nachtdienst“ des städtischen Militärbüros vom 17. Juni 1919.
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurden die linksrheinischen deutschen Gebiete besetzt, auch Aachen. Seit Anfang Dezember 1918 bestimmte eine französische Besatzungsverwaltung die Geschicke der Stadt, bevor später eine belgische Militäradministration an ihre Stelle trat. Daneben hielten sich auch Soldaten anderer Nationalitäten regelmäßig in der Stadt auf - wenn sie zum Beispiel auf Durchreise in die Heimat oder ihre Einsatzgebiete waren.
Die Einquartierung von Besatzungssoldaten wird verlangt
Der Friedensvertrag von Versailles hatte den Siegermächten die Möglichkeit an die Hand gegeben, an den Standorten ihrer Besatzungstruppen von den Kommunen die Einquartierung ihrer Besatzungssoldaten zu verlangen. Dies bedeutete zum einen, dass die Aachener Stadtverwaltung Wohnraum bereitstellte, und zum anderen, dass Besatzungssoldaten in Privathaushalten untergebracht wurden.
Das Militärbüro stellte den Quartierschein aus
Wie viele Soldaten eine Aachener Familie unterbringen musste, bemaß sich nach der Größe des vorhandenen Wohnraums und der Anzahl der Familienmitglieder.
Angehörige des zuständigen städtischen Quartieramtes begutachteten dazu die Aachener Häuser und Wohnungen und meldeten die Einquartierungsmöglichkeiten an die französische Kommandantur. Musste nun ein Soldat einquartiert werden, ging er zunächst zur Kommandantur, ließ sich dort eine Unterkunft zuweisen, ging mit einer Art Berechtigungsschein zum Städtischen Militärbüro und erhielt dort dann den Quartierschein, der ihn gegenüber den Eigentümern oder Mietern der betroffenen Wohnung berechtigte, seine Unterkunft zu beziehen.
Das Städtische Militärbüro war eingerichtet worden, um die Ansprüche der Besatzungsverwaltung umzusetzen und um bestimmte Ausweise und Quartierscheine auszustellen. Auch für Umquartierungen oder die Unterbringung von Fahrzeugen war es zuständig.
Ein Merkbuch als Arbeitsnachweis
Da die Soldaten auch nachts eintrafen, gab es im Städtischen Militärbüro auch einen Nachtdienst. Dieser legte am 17. März 1919 ein „Merkbuch für den Nachtdienst“ an. Das 48 Seiten starke Heft war ein summarischer Arbeitsnachweis und listete Tag für Tag auf, welche Quartierscheine und Ausweise ausgestellt worden waren, teilweise sogar unter Nennung der Unterkunft. Der letzte Eintrag des handschriftlich geführten Heftes datiert auf den 27.9.1919.
Als Beispiel für die Einträge im Merkheft sind im Folgenden die Einträge für den 7.6.1919 transkribiert:
„7.6.19. 10 ¼ Uhr. Quartierschein für 20 Offiziere ausgefertigt.
7.6.19 9 ½ Uhr. 20 Quartierscheine für Kaiserbad ausgestellt.
9 ¾ Uhr. einem englischen Offizier Quartierschein ausgestellt.
10 ½ Uhr. für 80 Mannschaften Massenquartier
10 ¾ Uhr. für 50 französische Mannschaften Massenquartier angewiesen
11 ¼ Uhr. 120 französische Soldaten in Massenquartier gebracht.“
Zum Jahresende 1919 waren 72 Offiziere und 69 Mannschaftssoldaten mit ihren Familien sowie 682 Offiziere und 1.246 Mannschaftssoldaten ohne ihre Familien in 16.469 Quartieren untergebracht. Dazu kamen die in den Kasernen untergebrachten Militärpersonen.
Das Merkbuch kommt ins Stadtarchiv
Das Merkbuch des Städtischen Militärbüros wurde im Februar 1937 an das Stadtarchiv abgegeben und gibt Aufschluss über eine heute nur noch wenig bekannte, aber einschneidende Konsequenz des verlorenen Ersten Weltkrieges in Aachen.
Einen Eindruck vom Ende des Ersten Weltkrieges in Aachen gibt eine aktuelle, reich bebilderte Quellenedition des Stadtarchivs: Thomas Müller/René Rohrkamp (Hrsg.), Das Kriegsende 1918 in Aachen, Aachen 2018 (176 Seiten). Das Buch ist zum Preis von 20 Euro im Stadtarchiv erhältlich.