Das Archivale des Monats Oktober 2022 …
- … zeigt einen 100 Jahre alten Küchenzettel aus der Kinderheilanstalt des Solbades Raffelberg in Mülheim an der Ruhr an die Armenverwaltung der Stadt Aachen.
- In den wirtschaftlich harten Jahren nach dem Ende des Ersten Weltkriegs unterstützte die Stadt Aachen Familien dabei, ihre Kinder zur Stärkung in sogenannten Kinderkuren unterzubringen. Zuständig für die Entsendung war der Wohlfahrtsausschuss der Stadt Aachen.
- Die Unterbringung und Verpflegung waren wohl nicht immer zufriedenstellend. Eltern holten ihre Kinder immer wieder aus Kurheimen zurück, weil ihre Kinder ihnen von schlechten hygienischen Zuständen und schlechter Verpflegung berichteten.
Das Aachener Stadtarchiv zeigt aus seinen Magazinen regelmäßig interessante Stücke als Archivale des Monats. Das Stück mit einem kurzen Begleittext wird in einem Schaukasten im Foyer des Stadtarchivs am Reichsweg sowie digital auf der Homepage des Archivs präsentiert. Das Archivale des Monats Oktober 2022 zeigt einen 100 Jahre alten Küchenzettel aus der Kinderheilanstalt des Solbades Raffelberg in Mülheim an der Ruhr an die Armenverwaltung der Stadt Aachen.
In den wirtschaftlich harten Jahren nach dem Ende des Ersten Weltkriegs unterstützte die Stadt Aachen Familien dabei, ihre Kinder im Alter zwischen acht und vierzehn Jahren zur Stärkung in sogenannten Kinderkuren unterzubringen. Der Aufenthalt solcher Gruppen dauerte zumeist sechs Wochen. Zuständig für die Entsendung war der Wohlfahrtsausschuss der Stadt Aachen.
Schutz vor schweren Erkrankungen
Die Kuren hatten das Ziel, die Kinder, die zum Teil unter den schwierigen Ernährungsbedingungen litten, zu kräftigen - vor allem, um sie vor schweren Erkrankungen als Folge von längerfristiger Mangelernährung zu schützen. Die Kommune übernahm damit eine wichtige gesundheitspolitische Rolle im direkten Lebensumfeld der Stadtbevölkerung. Aachener Kinder wurden in Kurheime und Erholungsstätten in der Region, aber auch reichsweit entsandt. In den städtischen Akten der Armenfürsorge finden sich Werbeschreiben solcher Einrichtungen, die ihre Vorzüge sowie freie Plätze anpreisen.
Doch nicht immer waren die Unterbringung und Verpflegung zufriedenstellend; Eltern holten ihre Kinder immer wieder auch aus Kurheimen zurück, weil ihre Kinder ihnen von schlechten hygienischen Zuständen und schlechter beziehungsweise eben nicht kräftigender Verpflegung, zum Teil mit verdorbenen Lebensmitteln oder ohne Milchprodukte, berichteten.
Quelle: Stadtarchiv Aachen, PRZ 30-516, fol. 157
Beschwerden über die Unterbringung
Um einem solchen Vorwurf entgegenzutreten, sandte die Kinderheilanstalt des Solbades Raffelberg in Mülheim an der Ruhr einen sogenannten Küchenzettel für den Zeitraum September/Oktober 1922 an die städtische Armenverwaltung, nachdem zwei Väter ihre Kinder „vor Beendigung der Kur und ohne einen stichhaltigen Grund aus der Anstalt abgeholt haben.“ Die Eltern hatten ihre Beschwerden über die Unterbringung auch an das städtische Zentralfürsorgebüro gerichtet.
In einem Bericht vom 16. Oktober 1922 sind die von den Eltern vorgebrachten Mängel aufgelistet: So sei die mittägliche Mehl- oder Nudelsuppe oft mit saurer Milch gemacht worden, das Gemüse sei abgekocht und schwer bekömmlich und die Kartoffeln in der Regel hart, das Gemüse unsauber serviert worden. Auch habe es in den gesamten zwei Wochen, die die Kinder dort waren, keine Tasse Milch gegeben, die Betten seien die ganze Zeit nicht frisch bezogen worden. Die Schwestern und die Aufsicht führenden Mädchen sollten den Kindern nach der Ankunft die Schuhcreme und Seife abgenommen und nicht zurückgegeben sowie im Gegensatz zu den Kindern selbst täglich Kakao getrunken und mittags Fleisch gegessen haben.
Der Küchenzettel wird angefordert
Die Armenfürsorge holte in der Folge auch bei den Eltern der anderen nach Raffelberg entsandten Kinder - die Gruppe bestand aus insgesamt zwölf Kindern -Erkundigungen ein; dabei beschwerten sich die Eltern weiterer drei Kinder aus denselben Gründen. Daraufhin wurde der als Archivale des Monats gezeigte Küchenzettel bei der Kinderheilanstalt angefordert. Aus dem Speiseplan geht hervor, dass es vier Mahlzeiten am Tag gab: morgens in der Regel Milchsuppe und Butterbrote, mittags eine Gemüsesuppe, aber laut Angabe der Einrichtung durchaus auch Fleisch- und Kartoffelgerichte, nachmittags und abends erneut Milchsuppe. Klären ließen sich die Vorwürfe letztlich nicht im Detail, aus der Akte geht auch nicht hervor, ob die Armenfürsorge weiterhin Kindergruppen nach Mülheim an der Ruhr schickte.