Das Archivale des Monats Dezember 2023 …
- … zeigt die letzte Seite eines Erinnerungsalbums zum Weihnachtsfest 1946 von der Ausgabestelle der Schweizerspende im Alsdorfer Stadtteil Kellersberg für die Helferin Marianne Glaus.
- Angesichts der Zerstörungen durch den Zweiten Weltkrieg begann in der Schweiz Ende 1944 eine Spendensammlung für die notleidende Zivilbevölkerung in Europa: die „Schweizerspende“. Die Kampagne gilt als die größte Spendenaktion des neutralen Landes im Kontext des Zweiten Weltkriegs.
- Länderbüros koordinierten die Hilfe in 18 europäischen Ländern, darunter auch Deutschland. Rückgrat der Hilfen waren tausende Helfer*innen, die aus der Schweiz in die vom Krieg gezeichneten Länder reisten und dort Projekte durchführten. Eine dieser Helferinnen war die von Aachen aus arbeitende Marianne Glaus.
Das Aachener Stadtarchiv zeigt aus seinen Magazinen regelmäßig interessante Stücke als Archivale des Monats. Das Stück mit einem kurzen Begleittext wird in einem Schaukasten im Foyer des Stadtarchivs am Reichsweg sowie digital auf der Homepage des Archivs präsentiert. Im Dezember 2023 zeigt das Archivale des Monats die letzte Seite eines Erinnerungsalbums zum Weihnachtsfest 1946 von der Ausgabestelle der Schweizerspende im Alsdorfer Stadtteil Kellersberg für die Helferin Marianne Glaus.
(Quelle: StAAc, SLG 101-618)
Angesichts der Zerstörungen durch den Zweiten Weltkrieg begann in der Schweiz Ende 1944 eine Spendensammlung für die notleidende Zivilbevölkerung in Europa: die „Schweizer Spende an die Kriegsgeschädigten“, kurz: „Schweizerspende“. Zusätzlich zu 150 Millionen Franken, die der Staat bereitstellte, erbrachte eine öffentliche Sammlung bis 1946 weitere 50 Millionen Franken. Die Kampagne gilt als die größte Spendenaktion des neutralen Landes im Kontext des Zweiten Weltkriegs.
Rückgrat der Hilfen
Verantwortlich für den Einsatz der Mittel war ein vom schweizerischen Bundesrat gegründetes Komitee unter der Leitung des früheren Bundespräsidenten Ernst Wetter. Die praktische Durchführung lag bei erfahrenen Organisationen wie dem Schweizerischen Roten Kreuz und den Verbänden der Arbeiterbewegung und der Kirchen. Länderbüros koordinierten die Hilfe in 18 europäischen Ländern, darunter auch Deutschland. Rückgrat der Hilfen waren tausende Helfer*innen, die aus der Schweiz in die vom Krieg gezeichneten Länder reisten und dort Projekte durchführten.
Eine dieser Helferinnen war die von Aachen aus arbeitende Marianne Glaus (1924-2013). In den Jahren 1946 bis 1949 koordinierte sie die Projekte in Aachen und Umgebung. Hierzu gehörte auch eine Ausgabestelle der Schweizerspende im Alsdorfer Stadtteil Kellersberg. Angehörige dieser Stelle schenkten Marianne Glaus zum Weihnachtsfest 1946 ein Erinnerungsalbum mit der Widmung: „Weihnachten 1946 – Den hochverehrten Schweizern sei dies ein kleiner Dankesgruß von der Ausgabestelle Alsdorf Kellersberg Evang[elische] Kirche“.
Album aus acht hellblauen Pappblättern
Das Album besteht aus acht hellblauen Pappblättern, die von einer gelben Schnur zusammengehalten werden, auf der Vorderseite sind Sterne aus goldenem Glanzpapier aufgeklebt. Die Innenseiten erinnern an zeitgenössische Kinderbücher. Eingeklebte farbige Zeichnungen danken für die geleistete Hilfe, würdigen die Völkerverständigung und schaffen eine weihnachtliche Stimmung.
Besonders deutlich wird dies auf der letzten Seite des Albums, die hier abgebildet ist: Links ein Haus in der Schweiz, rechts eine stilisierte Darstellung der Bergbaustadt Alsdorf. Hilfsgüter – darunter passend zu Weihnachten zwei Weckmänner – verbinden die farbig und romantisch dargestellte Schweiz mit der rheinischen Industriestadt mit ihrem Förderturm und ihren rauchenden Schloten.
Im Mittelpunkt des Albums steht die Abwendung von „erbärmlicher Not“, „drohender Krankheit“ und sogar vom „sicheren Tod“ durch das Engagement aus der Schweiz. Plastisch erwähnt werden beispielsweise die Ankunft eines ersten Transports mit Hilfsgütern und die Freude der Kinder über „Knäckebrot, Suppe und Aepfelein rot“.
Ausdrücklich wird „Fraulein Glaus“ für eine Nikolausgabe mit Weckmännern gedankt. Das Gedicht auf der letzten Seite des Albums würdigt, dass die Hilfe ohne Rücksicht auf Schuld geleistet wurde: „Ihr fragtet nicht, ob schuldig, ob nicht, / Ihr hieltet nicht erst ein strenges Gericht, / Ihr saht nur die Menschen in ihrer Not / Und ihnen zu helfen, war Euch Gebot.“ Diese Formulierung bezieht sich das Neutralitätsgebot bei humanitärer Hilfe, das zum Selbstverständnis der Schweizerspende gehörte. Sie lässt sich aber auch als Wunsch der deutschen Seite lesen, über die Schuld am nationalsozialistischen Vernichtungskrieg zu schweigen. Der Satz lässt sich sogar als implizites Schuldeingeständnis lesen.
Arbeit und den Alltag der Helfer*innen
Marianne Glaus war in ihren Aachener Jahren Anfang zwanzig und lebte mit anderen Mitgliedern ihres Teams in der heutigen Limburger Straße. Sie fertigte in dieser Zeit auch eigene Erinnerungsalben an, die einen guten Einblick in die Arbeit und den Alltag der Helfer*innen und ihre Zusammenarbeit mit den in Aachen stationierten britischen Soldaten vermitteln. So nutzten die Aktivist*innen der Schweizerspende eine Baracke im Aachener Kurpark als Büro und stellten dort ein vielfältiges Angebot bereit, das sich vor allem an notleidende Kinder, aber auch an Mütter und an alte Menschen richtete. Neben Spielen, handwerklichen Arbeiten und anderen sozialpädagogischen Aktivitäten stand auch hier die Versorgung mit Nahrungsmitteln im Mittelpunkt.