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Die Archivale des Monats Dezember 2024 ...

  • … zeigt die Weihnachtsausgabe der Gefangenenzeitung „Echo“ aus dem Jahre 1976.
  • Gefangenenzeitungen wie das „Echo“ waren keine journalistisch frei arbeitenden Medien. Sie arbeiteten sie im Spannungsfeld zwischen Anstaltsleitung und Gefangenen, so dass die redaktionellen Gestaltungsräume immer wieder neu ausgehandelt und erkämpft werden mussten.
  • Die hier abgebildete Titelseite thematisiert die problematische Situation der Gefangenen rund um das Weihnachtsfest.

Das Aachener Stadtarchiv stellt aus seinen Magazinen regelmäßig interessante Stücke als Archivale des Monats vor. Das Stück mit einem kurzen Begleittext wird in einem Schaukasten im Foyer des Stadtarchivs am Reichsweg sowie digital auf der Homepage des Archivs präsentiert. Im Dezember 2024 zeigt das Archivale des Monats die Weihnachtsausgabe der Gefangenenzeitung „Echo“ aus dem Jahre 1976.

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Quelle: Stadtarchiv Aachen, SLG 117-234

Gefördert aus der Aachener Zivilgesellschaft
Im Jahr 1974 erschien in der Justizvollzugsanstalt Aachen zum ersten Mal die Gefangenenzeitung „Echo“. Die Redaktion bestand aus Männern, die dort ihre Strafe verbüßten. Das Blatt wurde aus der Aachener Zivilgesellschaft, vom Gefängnisverein Aachen, gefördert und war über die „Arbeitsgemeinschaft Deutsche Gefangenenpresse“ und den „Pressedienst Deutscher Gefangenenzeitungen“ zunächst mit ähnlichen Projekten vernetzt. Seit Ende 1977 wurde der Leiter der JVA Aachen als Herausgeber genannt - wie es im Impressum ausdrücklich hieß, auf „Anordnung des Justizvollzugspräsidenten“. Das Blatt erschien etwa alle zwei bis drei Monate in einem Umfang von 300 bis 1.000 Exemplaren.

Gefangenenzeitungen wie das „Echo“ waren keine journalistisch frei arbeitenden Medien. Vielmehr arbeiteten sie im Spannungsfeld zwischen Anstaltsleitung und Gefangenen, so dass die redaktionellen Gestaltungsräume immer wieder neu ausgehandelt und erkämpft werden mussten. Dies zeigt sich im wechselnden Untertitel des „Echo“ als „Gefangenenzeitung in der JVA Aachen“ (1975), „Gefangenenzeitung der JVA Aachen“ (1976), „Eine Zeitschrift von Gefangenen für Gefangene“ (1977), „Eine Gefangenenzeitung“ (1977) und schließlich „Gefangenenzeitung der JVA Aachen“.


Gedanke der Resozialisation
Projekte wie „Echo“ boten Menschen in Haft sowohl die Möglichkeit, an den verschiedenen Produktionsschritten vom Verfassen eigener Texte die Festlegung der Inhalte bis hin zur Gestaltung der Druckvorlagen mitzuarbeiten. Dies entsprach dem Gedanken der Resozialisation. Die Gefangenen konnten Erfahrungen, Erlebnisse, Gefühle, Hoffnungen und Forderungen zum Ausdruck bringen und mit Lesern innerhalb und außerhalb des Gefängnisses teilen. In einem begrenzten Rahmen finden sich auch Texte, die den Strafvollzug, das Gefängnis und gesellschaftliche Ungleichheit kritisierten oder konkrete Missstände ansprachen.
 
Die hier abgebildete Titelseite von 1976 thematisiert die problematische Situation der Gefangenen rund um das Weihnachtsfest. Die minimalistisch gestaltete Schwarzweiß-Grafik basiert auf einem Gitter, das optisch zu einer grauen Fläche verschwimmt. Darauf befindet sich ein kleineres Gitter in Form eines Zellenfensters, aus dem eine weiße Sprechblase mit dem Text des Weihnachtsliedes „Stille Nacht, heilige Nacht“ dringt. Die Grafik erzeugt eine triste und beklemmende Atmosphäre jenseits gängiger Weihnachtssymbole.

Im Inneren des 34-seitigen Hefts findet sich ein Grußwort des JVA-Leiters. Er wünscht den Gefangenen, „daß Weihnachten auch in der hiesigen Anstalt nicht von Trauer und Mutlosigkeit überschattet sein möge“. Es folgt ein experimenteller Text eines Gefangenen, der „diese widerlich süßen Liedchen“ der Weihnachtszeit mit einer tristen sozialen Wirklichkeit kontrastiert. Der Text endet mit der Frage, „was werden jetzt wohl meine Richter machen […] und erst mein Staatsanwalt ha ha ha“, gefolgt von einem weihnachtlichen „schlaaaaf in himmlischer Ruuuuhh“ und einem aus Fragezeichen zusammengesetzten Weihnachtsbaum.


„Gedanken eines Knacki’s zum Weihnachtsfeste“
Im Artikel „Gedanken eines Knacki’s zum Weihnachtsfeste“ schreibt ein Gefangener über den verbreiteten Wunsch, auch den „Hohen Herren der Gerichtsbarkeit“ möge „das Weihnachtsfest vermasselt“ werden, gibt aber zu bedenken: „Sicher haben wir alle unsere Erfahrungen mit der ‚Gerechtigkeit‘ gemacht, trotzdem sollten wir doch an solchen Tagen wie sie uns bevor stehen, einmal Bilanz ziehen, einmal wirklich ‚Einkehr‘ halten. Es lohnt sich für manchen ganz bestimmt noch dies zu tun!!!“. Nicht zuletzt würdigt er den Beistand der Angehörigen, „die sich um unsere Probleme wirklich sorgen, aber oft schwerer betroffen sind als wir selbst.“

09.12.2024