- Der rumänische Präsident ist als großer Streiter für die europäischen Werte und als Brückenbauer zwischen Ost und West ausgezeichnet worden.
- Die Festreden pochten auf stärkere Zusammenarbeit, Solidarität und schnellere, zukunftsgewandte Entscheidungen.
- 350 Gäste wohnten der Zeremonie im Krönungssaal bei, viele Interessierte applaudierten dem Preisträger im Anschluss auf dem Markt und hörten seine pro-europäische Vision im Talk auf der Rathausempore.
Warmer Empfang für den frischgebackenen Preisträger: Der rumänische Präsident Klaus Iohannis (Mitte) zeigt sich nach der Verleihung dem Aachener Publikum auf der Rathausempore. Foto: Stadt Aachen/ Heike Lachmann
Ein Bekenntnis zu einem gemeinsamen Europa, einem Europa der Solidarität, der grenzenlosen Zusammenarbeit und der Einbindung aller Beteiligten ist ein Brückenschlag, der nur in gemeinsamer Anstrengung gelingen kann. Brücken bauen zwischen Ost und West und in ganz Europa: Dieses Motiv der Verbindung von europäischen Staaten, von Ideen, Werten und vor allem von Menschen war greifbar, als der rumänische Staatspräsident Klaus Iohannis am heutigen Samstag, 2. Oktober, den Internationalen Karlspreis zu Aachen entgegennahm. Der Vorsitzende des Karlspreisdirektoriums, Dr. Jürgen Linden, hatte ihn bereits am Tag zuvor bei einem Treffen mit den Jugendkarlspreisträger*innen auf der Rathausempore als Brückenbauer vorgestellt, und als solcher präsentierte sich der Preisträger auch.
Die Verbindung der Gesellschaften in Ost und West und das gemeinschaftliche Handeln sind dem rumänischen Präsidenten ein besonderes Anliegen. „Ich nehme diesen Preis als überzeugter Pro-Europäer und stellvertretend im Namen aller Rumänen an. Er bestätigt die Art und Weise, wie sich die Rumänen als das Gegenteil von Euroskeptikern für Europa einsetzen“, sagte Iohannis bei seiner Ankunft auf dem Markt am Freitag. Und so sprach er auch am Samstag beim Festakt aus seinem persönlichen Verständnis heraus als einer von vielen Menschen aus seinem Heimatland.
Klaus Iohannis: „Einheit, Solidarität und Zusammenhalt“
Dass er den Preis als eine Ehrung für sein ganzes Land sieht, machte Iohannis gleich zu Beginn deutlich: „Der Preis hat für mich und für die Bürger Rumäniens, die heute gleichzeitig auch Bürger der Europäischen Union sind, eine herausragende Bedeutung“, sagte er vor 350 Gästen im Krönungssaal des Aachener Rathauses und betonte die Bedeutung gemeinsamer europäischer Aktion in allen Feldern, besonders in der Bildung und der Aufrechterhaltung demokratischer Werte: „Die Union ist heute mehr denn je auf Einheit, Solidarität und Zusammenhalt angewiesen sowie auf eine pragmatische Vorgehensweise, die sich auf Handeln und konkrete Ergebnisse konzentriert.“
Die aktuelle Pandemie habe aufgezeigt, dass die Europäische Union gemeinsam besser und schneller auf die Herausforderungen hätte reagieren können. Iohannis warb in seiner Rede deshalb wiederholt um Solidarität und darum, gemeinsame Lösungen zu finden. Das sei es, was die Europäische Union stark mache. „Aus der Sicht Rumäniens können wir nur gemeinsam auf der Höhe der Erwartungen unserer Bürger sein, in Einheit und Zusammenhalt, und nicht durch Rückzug oder durch Bildung von engen Kreisen europäischer Integration.“ Man habe nicht erst durch die Pandemie gelernt, dass „gemeinsames, abgestimmtes Handeln unentbehrlich ist, auch in Bereichen von nationaler Kompetenz“, sagte Iohannis.
Entscheidend für ein starkes, zukunftsfähiges Europa sei der Blick nach vorne. „Um uns auf den beschleunigten Übergang zu einer grünen Wirtschaft und einer digitalen Wirtschaft vorzubereiten, müssen wir die Fähigkeit entwickeln, Zukunftsmodelle zu erstellen.“ Man werde sich bei der Entwicklung der Europäischen Union „mittel- und langfristig mehr dem vorausschauenden Regieren widmen“ und dabei die Bürger*innen stärker mitnehmen müssen: „Eine wahre Demokratie kann nicht bestehen, ohne den Bürger sowie die neuen Generationen von Europäern zu befähigen, an den öffentlichen Debatten teilzunehmen und ihrer Stimme Gehör zu verleihen.“
Charles Michel: Europa findet wieder zu sich selbst
Schon vor Iohannis Dankesrede wurden die entscheidenden Vokabeln des Tages klar benannt: „Solidarität, Freiheit, Rechtsstaatlichkeit. Sie sind das Fundament unseres gemeinsamen europäischen Hauses. Sie sind Credo und Verpflichtung zugleich. Frei gewählt von freien Menschen, die sich entschieden haben, ihre Schicksale zu verbinden“, sagte Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates, in seiner sehr persönlichen Laudatio. In Englisch und Französisch schlug er die Brücke von den frühen Baumeistern des Hauses Europa zu Iohannis als Baumeister in seiner Heimat Sibiu/Hermannstadt, die er – wie später sein Land – „zu einem mächtigen Zentrum der wirtschaftlichen Entwicklung und des Wohlstands“ gemacht habe. Und nicht zuletzt zu einem wichtigen Teil der Europäischen Union.
Michel nahm Rumänien als Beispiel, um für eine noch energischere Verknüpfung und Erweiterung der Union zu werben: „Im heutigen Europa gibt es weder Zentrum noch Peripherie. Keine alten oder neuen Mitglieder. Und das ist den Entwicklungen zu verdanken, bei denen Klaus Iohannis ein bedeutender Akteur ist. Europa findet allmählich wieder zu sich selbst. Vielfältig und ganz.“ Die europäische Integration sei aber nicht nur die Verwirklichung eines Ideals, sie ziele auch darauf ab, „unsere Position in einer Welt zu stärken, die sowohl vernetzter als auch instabiler ist.“ Hierfür sei Iohannis ein Vorreiter und die Verleihung des Karlspreises die Würdigung dafür, dass er ein gutes Beispiel für alle Europäer sei.
Nach diesen herzlichen Worten wurde Klaus Iohannis der Internationale Karlspreis zu Aachen durch Dr. Jürgen Linden, Vorsitzender des Karlspreisdirektoriums, und Aachens Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen überreicht.
Der Karlspreisträger Klaus Iohannis trägt sich im Beisein von Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen in das goldene Buch der Stadt Aachen ein. Foto: Stadt Aachen / Heike Lachmann
Sibylle Keupen: Im Zeichen des Klimawandels schnell und mutig handeln
Die diesjährige Verleihung des Internationalen Karlspreises fand im Schatten einer weltweiten Pandemie statt. Sie macht keinen Halt vor Grenzen, ebenso wenig wie der Klimawandel und seine massiven Konsequenzen. Auf die Herausforderung dieser Bedrohung konzentrierte sich Aachens Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen. Sie beschwor in ihrer Rede die Pflicht und Notwendigkeit, der Klimakrise, die von „von existenzieller Bedeutung für die Menschheit“ sein, gemeinsam zu begegnen und kritisierte auch die bisherigen Versäumnisse bei diesem Thema: „Leider hat auch diese Klimakrise bisher nicht dazu geführt, dass wir endlich begreifen, dass es nur zusammen geht. Dabei hätten gerade wir in Europa mit unseren Stärken eine großartige Chance gehabt, als Vorbild zu dienen, als starkes Modell der Zukunft, das sich auf die ganze Welt übertragen lässt. Diese Chance haben wir bisher verpasst.“
Keupen erkennt zwar eine große, auch grenzübergreifende Solidarität im Zeichen von Katastrophen, mahnt aber an, dass danach zu schnell ein Verdrängen und „weiter so“ eintrete und nachhaltige Änderungen ausbleiben. Sie forderte ein gemeinsames, schnelles Handeln: „All das könnte uns egal sein. Wir haben und hatten ein gutes und erfülltes Leben. Aber wenn ich mich hier so umschaue, weiß ich zum Glück, dass niemand von uns so denkt“, sagte Keupen mit Blick auf die vielen Entscheidungsträger*innen im Krönungssaal. „Wir sind uns unseres Anteils an der aktuellen Situation bewusst, und noch mehr unserer großen Verantwortung gegenüber unseren Kindern und Enkeln. Die nächsten Generationen haben ein Recht darauf, und wir haben dafür zu sorgen, den jungen Menschen dieses Recht zu sichern.“
Wie der Preisträger sieht auch die Oberbürgermeisterin die Pflicht und Verantwortung, nach vorne zu blicken und die nächsten Generationen einzubeziehen: „Wir müssen jetzt handeln, wir müssen mutig handeln! ... Deshalb sind wir besonders froh, in unserem heutigen Preisträger Klaus Iohannis einen Verbündeten zu haben, der die Idee eines gemeinsam starken Europas teilt.“ Am Brückenbauer Iohannis müsse sich jeder ein Beispiel nehmen, sagt Keupen. „Lassen Sie uns unser Schicksal in die Hand nehmen, lassen Sie uns Brücken bauen und gemeinsam mit der Jugend Europas einen echten, einen mutigen, einen kompromisslosen Neuanfang wagen! Weg von einem zerstrittenen, bürokratischen, zögernden Europa – hin zu einem Europa der Macherinnen und Macher!“
Beim Talk nach der Verleihung sahen Klaus Iohannis und Oberbürgermeisterin Keupen aber auch einen weitergehenden Auftrag: „Die Brücke steht, wir sind in Europa angekommen. Aber damit diese Brücke stärker und breiter wird, müssen wir immer weiter an ihr arbeiten und weiterbauen, damit Europa zu dem wird, das wir uns alle erhoffen“, sagte der Preisträger und Keupen ergänzte: „Wir müssen diese Brücken nicht nur weiterbauen, sondern uns auch auf ihnen begegnen, zusammen an ihnen arbeiten, gemeinsam mit engagierten Menschen wie unseren Jugendkarlspreisträger*innen.“
Gemeinsam handeln, solidarisch sein, nicht nur im Zeichen von Krisen, nach vorne gewandt agieren, dabei jeden und jede – junge Menschen, Minderheiten und grundsätzlich alle Teile der Bevölkerung – mitnehmen und die europäischen Werte, Freiheit und Demokratie hochhalten. Das ist nur gemeinsam, mit starkem Zusammenhalt über alle Grenzen hinweg, zu realisieren. Das sind die Visionen für alle Europäer, die heute in Aachen verkündet wurden. Gelingen kann es – so ist die Verleihung an den rumänischen Präsidenten zu verstehen – mit Leuten wie Klaus Iohannis, einem Macher Europas.
Begründung des Karlspreisdirektoriums
Das Direktorium begründet die Wahl des Preisträgers wie folgt: „Mit dem Präsidenten von Rumänien, Klaus Iohannis, ehrt das Direktorium der Gesellschaft für die Verleihung des Internationalen Karlspreises zu Aachen einen herausragenden Streiter für die europäischen Werte, für Freiheit und Demokratie, den Schutz von Minderheiten und kulturelle Vielfalt, der sich bedeutende Verdienste um die Rechtsstaatlichkeit und die Unabhängigkeit der Justiz erworben hat – eine fundamentale Voraussetzung für eine weitere Vertiefung der Integration. Die Preisverleihung ist eine Ermutigung für Klaus Iohannis, seinen europäischen Weg entschlossen weiterzugehen; eine Ermutigung für uns alle, die europäische Idee voranzutreiben und zu leben. Iohannis stärkt die Europäische Union, bekennt sich zu ihren Zielen und fördert die Zusammenarbeit der Mitgliedsländer. Das, was er für Rumänien geleistet hat, ist einer der größten Integrationsfortschritte seit 1989. Und er ist ein wichtiger Mittler und Brückenbauer zwischen west- und osteuropäischen Gesellschaften.“
Zitate und Fakten in Kürze:
- Der Preisträger: Der Präsident von Rumänien, S.E. Klaus Iohannis, ist heute, am 2. Oktober 2021, mit dem „Internationalen Karlspreis zu Aachen“ ausgezeichnet worden. Für das Direktorium verkörpert er im Osten den europäischen Wertekanon, die Stärkung der europäischen Rechtsgemeinschaft und die gemeinsame Idee von einer europäischen Zukunft. Iohannis wurde am 13. Juni 1959 in Sibiu/Hermannstadt geboren. Er gehört der rumäniendeutschen Volksgruppe der Siebenbürger Sachsen an und betrachtet sich selbst als „ethnisch Deutscher und rumänischer Staatsbürger“. Am 21. Dezember 2014 wurde er als Präsident Rumäniens vereidigt.
- Iohannis‘ Botschaft: „Es ist unsere Pflicht, uns für die Stärkung der Europäischen Union einzusetzen, denn sie ist die einzige gute Option für ein demokratisches, wohlhabendes und stabiles Europa. Als Menschen unserer Zeit haben wir die moralische Pflicht, die Europäische Union weiterhin als Friedens- und Entwicklungsprojekt zu fördern.“
- Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel: „Heute gravieren wir einen neuen Namen in den Marmor der europäischen Erinnerung: Klaus Iohannis. Ich fühle mich geehrt und berührt, „Hammer und Meißel“ zu halten. […] Man kann ein Patriot von Sibiu, ein rumänischer Patriot und ein europäischer Patriot sein. Diese Zugehörigkeiten bereichern sich gegenseitig, wenn wir uns den Werten Solidarität, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit anschließen. […] Dabei können wir immer auf Klaus Iohannis zählen: ruhig, methodisch, prinzipienfest. Aber elegant und immer respektvoll gegenüber der Meinung des anderen. Entschlossen, zur Lösung beizutragen.“
- Aachens Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen: „Die Europäische Union, wie wir sie heute kennen, wäre niemals entstanden, wenn ihre Gründer nur abgewartet hätten, bis sich alle einig waren. Von dem vor uns liegenden Weg dürfen wir uns weder von den bürokratischen Strukturen der EU, noch von Jenen, die entgegen aller Fakten eine rein technologische Lösung unserer Probleme propagieren, abbringen lassen. Das können wir uns nicht mehr leisten.“
- Die Verleihung: Aufgrund der Pandemie konnten nur 350 Personen unter 3G-Bedingungen im Krönungssaal zugelassen werden. Zahlreiche Ehrengäste, Mandatsträger, Botschafter sowie Vertreter von Kirchen und Religionsgemeinschaften, haben an den Feierlichkeiten im Krönungssaal des Aachener Rathauses teilgenommen. Auf dem Ehrenpodium saßen neben dem Laudator Charles Michel, Präsident des Europäischen Rates, unter anderem die ehemaligen Karlspreisträger Martin Schulz, Dr. Wolfgang Schäuble, Dalia Grybauskaite sowie Graf Herman Van Rompuy und die Präsidentin der Slowakischen Republik Zuzana Čaputová sowie Věra Jourová, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission.
- Weitere Gäste: Christine Lambrecht MdB, Bundesministerin für Justiz und Verbraucherschutz, Michelle Müntefering, Staatsministerin für Internationale Kulturpolitik, Dr. Serafim Joanta, Metropolit von Deutschland und Exarch von Zentraleuropa, Dr. Stephan Holthoff-Pförtner, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Internationales des Landes NRW, und Regierungspräsidentin Gisela Walsken.
- Das mediale Interesse: Über 40 Journalist*innen haben sich für die Karlspreisverleihung 2020/21 akkreditiert, um darüber zu berichten, darunter in- und ausländische Wort- und Bild-Agenturen. Die 90-minütige Live-TV-Übertragung wurde im WDR Fernsehen und im Livestream gesendet.
Infos zum Karlspreis:
S.E. Klaus Iohannis ist der 62. Träger des Internationalen Karlspreises zu Aachen. Der rumänische Staatspräsident folgt auf den 2019 ausgezeichneten UN-Generalsekretär António Guterres.
Der Internationale Karlspreis zu Aachen gilt als einer der bedeutendsten europäischen Preise. Seit 1950 wird er an Personen und Institutionen verliehen, die sich um die Einigung Europas verdient gemacht haben. Zu den früheren Preisträgern in Aachen gehörten u.a. Konrad Adenauer (1954), die Europäische Kommission (1969), der spanische König Juan Carlos I. (1982), Francois Mitterand und Helmut Kohl (1988), Václav Havel (1991), Königin Beatrix der Niederlande (1996), der amerikanische Präsident Bill Clinton (2000), der luxemburgische Premierminister Jean-Claude Juncker (2006), der Spanier Javier Solana (2007), Bundeskanzlerin Angela Merkel (2008), Jean-Claude Trichet (2011), der damalige Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (2015), Papst Franziskus (2016) und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron (2018). Im März 2004 erhielt Papst Johannes Paul II. einen außerordentlichen Karlspreis.
Verliehen wird im Rahmen der feierlichen Zeremonie im historischen Krönungssaal des Aachener Rathauses neben einer Urkunde auch eine Medaille, die auf der Vorderseite das älteste Aachener Stadtsiegel aus dem 12. Jahrhundert mit thronendem Karl dem Großen und auf der Rückseite eine Inschrift für den jeweiligen Preisträger zeigt.