Mehr Sicherheit für blinde Menschen an Ampeln
- Neben Leitlinien und Aufmerksamkeitsfeldern sind auch der Pilotton und das Orientierungssignal sehr wichtig für die Orientierung blinder Menschen in der Stadt.
- Ampelschaltung ist ein schwieriges Thema, bei dem immer nur eine Kompromisslösung zwischen den Parteien gefunden werden kann.
- Das Ziel der Stadt ist es, den Aufenthalt blinder Menschen durch Hilfsmittel wie Leitlinien und Ampeltöne so sicher wie möglich zu gestalten.
Sicher durch die Stadt zu gehen und immer am richtigen Ort anzukommen, ist für viele Menschen normal. Kann man sehen und ist sonst auch gut auf den Beinen, stellt es kein großes Hindernis dar, mal eben in oder durch die Stadt zu laufen. Das gestaltet sich für blinde Menschen schwieriger. Sie können nicht mal eben schnell irgendwo hingehen oder noch kurz über die Ampel laufen, bevor die Grünphase endet. Der Weg über die Ampel muss geplant werden und auch die Orientierung auf dem Gehweg ist nicht einfach. Dafür gibt es zum Glück einige Hilfsmittel, die bei einer selbstständigen und unabhängigeren Lebensweise in der Stadt helfen.
Ziel: Sicher durch die Stadt
Zur besseren Orientierung in der Stadt dienen Leitstreifen aus Rippenplatten sowie teilweise andere Veränderungen des Bodenbelags. Ingeborg Jansen, Behindertenbeauftragte der Stadt Aachen, sieht jedoch noch einigen Handlungsbedarf. „Wir haben viel verbessern können, aber leider gibt es in Aachen immer noch Stellen, an denen keine Leitlinie vorhanden ist. Deshalb ist es uns besonders wichtig, dass bei jeder neuen Baumaßnahme auf Barrierefreiheit geachtet wird“. Das ist ein andauernder Prozess. Dagegen ist die Justierung der Ampeltöne für blinde Menschen etwas leichter zu gestalten. Zusammen mit Vertretern der Blindenvereine in Aachen und Umgebung wird in Ortsbegehungen eine gute Lautstärkeneinstellung der Ampeltöne gefunden.
Freigabeton und Pilotton
Es gibt zwei verschiedene Töne, die für Ampeln genutzt werden: der Pilotton und der Freigabeton. Der Pilotton dient dazu, dass blinde Menschen die Ampel, genauer gesagt den Ampelmast, finden. Es wird durch ein Klacken realisiert. Der Freigabeton dagegen ist ein recht hohes Piepen, das während der Grünphase der Fußgängerampel aktiv ist. „Dabei sind Grünphasen häufig zu kurz, um über die komplette Ampel anhand des Freigabetons zu navigieren, weshalb der Pilotton wieder zu hören sein muss, wenn die Fußgängerampel auf Rot umspringt“, sagt Jörg-Michael Sachse-Schüler, Kommissarischer Leiter der Selbsthilfegruppe PRO RETINA e.V. in Aachen. Nur so können blinde Menschen den kompletten Weg über die Ampelfurt finden.
Kompromisslösungen finden
Die Grünphasen für Fußgänger an großen Kreuzungen länger zu schalten, ist schwierig. „Ampelzeiten sind natürlich immer einem Parteienkonflikt ausgesetzt. Durch die Interessenkollision muss ein guter Ausgleich für Fußgänger, Fahrradfahrer, ÖPNV, also Busse oder Öffentlicher Personennahverkehr, und Autofahrer gefunden werden“, sagt Suhal Roob vom Verkehrsmanagement der Stadt. „Ampelschaltung bedeutet immer eine Kompromisslösung“. Eine weitere Kompromisslösung muss auch zur Lautstärke der Töne gefunden werden. Gerade das Orientierungssignal kann für Anwohner sehr schnell belästigend werden. Dabei hilft jedoch die Technik weiter, da die Töne sich der Lautstärke der Kreuzung anpassen. Wird der Verkehr abends ruhiger, senkt sich auch die Lautstärke der Töne ab.
Teilweise nur kurze Grünphasen
Horst Boltersdorf, Stellvertretender Vorsitzender des GIPS Spielen und Lernen, und Bernd Neuefeind, zweiter Vorsitzender des Blinden- und Sehbehindertenverein der StädteRegion Aachen e.V. 1907, sind sich einig: „Die Unversehrtheit des Menschen ist nun mal wichtiger als das schnelle Vorankommen. Niemandem ist geholfen, wenn eine blinde Person auf einmal bei Rot mitten auf der Straße steht, weil das Signal zu leise ist.“ Das gilt natürlich nicht nur für blinde Menschen sondern auch für ältere Menschen oder Menschen, die sich nicht so schnell fortbewegen können. „Häufig, gerade an großen Kreuzungen, ist die Grünphase für die Fußgänger wirklich sehr kurz“, findet Bernd Neuefeind. Dazu erklärt Suhal Roob: „Die Grünphase ist in Aachen so eingestellt, dass sie das Zeichen zum Losgehen geben soll. Es bedeutet nicht, dass man die Straße in der Grünphase komplett überqueren soll. Auf die Grünphase folgt immer noch eine ‚Räumzeit‘. Dies ist eine Art Schutzzeit für den Fußgänger, in der die Autos noch Rot haben. Sie dient dazu, dass der Fußgänger, der in der letzten Grünsekunde auf die Fußgängerfurt tritt noch im zügigen Schritt queren kann.“
Hindernisse auf den Leitlinien
Ein weiteres Hindernis stellen für blinde Menschen zugestellte Leitlinien und angekettete Fahrräder dar. „Viele Menschen denken nicht direkt daran, aber für einen blinden Menschen ist die Leitlinie nun mal der Weg, durch die Stadt zu finden. Steht jetzt ein Stuhl oder ein Tisch darauf, ist das wirklich sehr hinderlich. Das darf nicht passieren“, sagt Ingeborg Jansen. „Auch Fahrräder, die an Ampelmasten angeschlossen sind oder an einer Hauswand stehen, an der eine Leitlinie entlangführt, sind ein großes Problem“, fügt Horst Boltersdorf hinzu. Blinde Menschen können solchen Hindernissen nicht ausweichen und kollidieren mit den Gegenständen. Die Stadt Aachen bittet daher auch nochmals alle Bürgerinnen und Bürger, ganz besonders auf die Leitlinien und Bodenmarkierungen zu achten und Fahrräder an den dafür vorgesehenen Stellen abzustellen. An Stellen in der Stadt, an denen sich keine Leitstreifen befinden, orientieren sich blinde Menschen an der Hauswand. Hier können Gegenstände wie zum Beispiel Blumenkübel oder Tische und Stühle zu Hindernissen werden.
Positive Stimmung
Nach und nach wird die Lautstärke der Ampeltöne in Aachen auf eine kompromissfähige Lautstärke eingestellt. Ist das passiert, soll nichts mehr verändert werden. Die Einstellungen finden immer mit Beachtung der deutschen DIN-Norm über akustische Signaltongeber an Lichtschaltanlagen statt. „Uns ist es wichtig, eine Lösung mit den Betroffenen selbst zu finden“, fasst Ingeborg Jansen zusammen. „Das klappt sehr gut“, fügt Suhal Roob über die Zusammenarbeit hinzu.