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„Der reinste Lottogewinn!“ – Städtische THCG-Kräfte erzählen von Pizza, Schulhöfen und neuen Perspektiven

  • Die Stadt Aachen beteiligt sich am Teilhabechancengesetz (THCG), das Langzeitarbeitslosen hilft, durch staatlich geförderte Stellen wieder in den Arbeitsmarkt einzusteigen.
  • Insgesamt 79 arbeiteten im Rahmen dieses Programms seit 2019 bei der Stadtverwaltung. 2024 lief die erste volle Förderperiode aus.
  • Bis Ende 2024 konnten insgesamt 16 Teilnehmende in unbefristete Arbeitsverhältnisse bei der Stadt Aachen übernommen werden.

Halit Deniz Eyidogan strahlt über das ganze Gesicht, wenn er über seine Arbeitsstelle spricht: „Ich wäre sehr glücklich, wenn ich bis zur Rente hierbleiben würde!“ Hier – das ist die Maria-Montessori-Gesamtschule in Aachen. Eyidogan arbeitet dort seit Juli 2024 als Hausmeisterhelfer. Ein fester Arbeitsplatz ist für ihn keine Selbstverständlichkeit. Zwanzig Jahre war Eyidogan arbeitslos, bis er im Rahmen des Teilhabechancengesetzes (THCG) bei der Stadt Aachen seine heutige Stelle fand.

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Halit Deniz Eyidogan in seinem Element: Die Arbeit als Schulhausmeister erfüllt ihn mit Freude. © Stadt Aachen / Antonia Knop

THCG – was ist das?

Das THCG soll Langzeitarbeitslosen dabei helfen, wieder einen normalen Job zu bekommen. Dafür werden ihre Stellen fünf Jahre lang staatlich gefördert. Das heißt, ihr Gehalt wird fünf Jahre lang ganz oder teilweise nicht von Arbeitgeberseite, sondern vom Jobcenter gezahlt. Außerdem erhalten sie Coaching und Qualifizierungen.

Für die THCG-Stellen kommen nur Menschen in Frage, die mindestens sechs Jahre lang arbeitslos und über 25 Jahre sind. Bei fast allen erschweren zudem verschiedene Faktoren die Integration in den regulären Arbeitsmarkt. Dies können besonderen Lebensumstände oder gesundheitliche Einschränkungen sein.

Ein völlig veränderter Alltag

Halit Deniz Eyidogan hatte ursprünglich eine Ausbildung im Sanitärhandwerk angefangen, aber sein Ausbildungsbetrieb meldete Insolvenz an. Er fand keinen alternativen Ausbildungsplatz und geriet vor zwanzig Jahren in die Langzeitarbeitslosigkeit. Er entwickelte massive Schlafstörungen und brach aus zunächst unerklärlichen medizinischen Gründen bei alltäglichen Besorgungen zusammen, was die Arbeitsplatzsuche erschwerte. Ein gesunder, motivierter und sehr sportlicher junger Mensch – Eyidogan trat für Aachen sogar bei einer Stadtmeisterschaft als Schwimmer an – verlor seine berufliche Perspektive.

2022 kam die Umkehr: Nach einem drastischen Wandel seines Lebensstils wagte er einen neuen Anlauf beim Jobcenter. Die Mitarbeitenden vermittelten ihn im Rahmen des THCG als Hausmeisterhelfer an die Stadt Aachen.

Plötzlich stand er mitten im Arbeitsleben: Um sechs Uhr morgens startet er, kümmert sich um kleinere Reparaturen, erledigt Postgänge und befreit den Schulhof von Glas und im Winter von Schnee. Natürlich sind er und seine Hausmeisterkollegen, die ihr Büro mit Glasfront direkt im Eingangsbereich der Schule haben, auch Ansprechpartner für Schüler*innen und Lehrkräfte. Er ist immer in Bewegung: 15 Kilometer täglich schafft er während eines Diensts. Durch den neuen Rhythmus haben sich seine Schlafstörungen enorm gebessert. Er genießt den Kontakt zu den Kollegen, die abwechslungsreiche Tätigkeit und den alltäglichen Trubel. Eyidogan ist voller Motivation: „Hier bin ich Zuhause. Diese Stelle ist für mich der reinste Lottogewinn.“

THCG-Kräfte bei der Stadt Aachen

Die Stadt Aachen führte 2019 erstmals Stellen im Rahmen des THCG ein. Somit ist im vergangenen Jahr die erste volle Förderperiode von fünf Jahren zu Ende gegangen. Die Fachbereiche Personal und Organisation sowie Wohnen, Soziales und Integration ziehen ein absolut positives Fazit: Zehn von elf Angestellten, deren Förderung 2024 zu Ende ging, fanden eine Anstellung im regulären Arbeitsmarkt. Die Stadtverwaltung übernahm fünf davon in ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis.

Aktuell sind 39 von 50 vorgesehenen THCG-Stellen in Teil- oder Vollzeit besetzt. Das größte Tätigkeitsfeld sind Hausmeisterhelfer*innen mit elf Angestellten, gefolgt von zehn Büro- und acht Küchenhilfen. THCG-Kräfte arbeiten aber ebenso im Bezirksservice, in der Grünpflege und im Museumsshop. Bis Ende 2024 konnten insgesamt 16 Teilnehmende in unbefristete Arbeitsverhältnisse bei der Stadt Aachen übernommen werden. Dies erfolgte teilweise vor Ende der Fördermaßnahmen und im Rahmen vorzeitiger aktiver Bewerbungen auf ausgeschriebene Stellen. Insgesamt 79 THCG-Kräfte haben seit 2019 angefangen, bei der Stadtverwaltung zu arbeiten.

Doch bevor Langzeitarbeitslose im Rahmen der THCG-Maßnahme bei der Stadtverwaltung anfangen können, sind Vorgespräche nötig. Nadine Errens, die die Maßnahme bei der Stadt Aachen betreut, erklärt: „Wir müssen bei allen Kandidatinnen und Kandidaten individuell schauen, ob eine Zusammenarbeit möglich ist und welche Bereiche in Frage kommen.“ Während anfangs noch einige Fachbereiche zurückhaltend gegenüber den THCG-Stellen waren, ist die Akzeptanz inzwischen deutlich breiter und die Rückmeldung überaus positiv, berichtet Iris Kreutzer, die für den Bereich Arbeitsmarktintegration im Fachbereich Wohnen, Soziales und Integration zuständig ist.

Bezugsperson in der Schulmensa

Ein weiteres Beispiel: Jennifer*, von allen Jenny genannt. Die alleinerziehende Mutter arbeitet seit August 2024 als Küchenhilfe. Die Mensen der Offenen Ganztagsschule am Lousberg (OGS am Lousberg) sind ihr Arbeitsplatz. Auch wenn sie noch am Anfang der Förderperiode steht, ist für sie schon jetzt klar, dass sie am liebsten in der OGS am Lousberg bleiben möchte. Jennys tatkräftige Unterstützung wird auf jeden Fall benötigt. Jeden Mittag bekommen etwa 220 Kinder an der Schule ein warmes Mittagessen. Ab 11 Uhr steht Jenny in der Küche; bei der Essensausgabe kennt sie die Kinder mittlerweile alle. Sie weiß, wer vegetarisches Essen bekommt, wer keine Pilze mag und wer sich besonders auf die Nudeln freut. Der Kontakt zu den Kindern macht ihre Arbeit besonders. Sie ist nicht nur Küchenhilfe, Jenny ist wie ihre Kolleginnen Bezugsperson für die Grundschulkinder. Welche Gerichte in einer Grundschulmensa am besten laufen, weiß Jenny natürlich und gestaltet daher mittlerweile auch den Essensplan mit. Die Antwort ist übrigens: „Pizza und Kartoffelpüree!“

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Dank Jenny und ihren Kolleginnen bekommen etwa 220 Kinder an der OGS am Lousberg ein warmes Mittagessen. © Stadt Aachen / Antonia Knop

Während ihrer Ausbildung zur Arzthelferin wurde Jenny gemobbt. Sie wollte daraufhin die Praxis wechseln, fand jedoch keine neue Stelle. Es folgten verschiedenste 450€-Jobs, sie pflegte gleichzeitig ihre Großmutter und war dadurch in der Arbeitswahl eingeschränkt. Zuletzt arbeitete sie bei einer Gebäudereinigung, dort wurde ihr nach einem Fahrradunfall und daraus resultierender zeitweiliger Arbeitsunfähigkeit gekündigt. Als alleinerziehende Mutter, ohne abgeschlossene Ausbildung und ohne Führerschein hatte sie es schwer auf dem Arbeitsmarkt. Umso wichtiger war es, im Rahmen der THCG-Maßnahme einen familienfreundlichen Arbeitsplatz zu finden. Und laut Karin Wetter, Direktorin der OGS am Lousberg, ist es auch in Ausnahmefällen möglich, dass Jenny ihren achtjährigen Sohn mit zur Arbeit nehmen kann, wenn seine Betreuung ausfällt.

Die Betreuung durch einen Jobcenter-Coach ist essentieller Bestandteil der THCG-Maßnahme. Jeden Montag besucht ein Coach Jenny entsprechend und hilft ihr bei Fragen und verschiedensten Anträgen. Zugleich werden die Angestellten von Nadine Errens betreut und haben darüber hinaus ihre direkten Vorgesetzten als vertrauenswürdige Ansprechpartner*innen direkt vor Ort. Dadurch werden die THCG-Kräfte fit für den regulären Arbeitsmarkt gemacht, denn sie müssen sich nach der Förderung auf regulär freie Stellen bewerben. Das heißt, es muss zum richtigen Zeitpunkt eine Stelle frei sein, die auf die Bewerber*innen passt. Da dies nicht immer der Fall ist, werden auch Stellen außerhalb der Stadtverwaltung in den Blick genommen.

Bezirksamt Aachen-Eilendorf: Ansprechpartner vor Ort

Heinrich Visé ist seit Anfang 2022 beim Bezirksamt Aachen-Eilendorf angestellt, Marlon Fuchs** seit Anfang 2023. Beides sind THCG-Kräfte, doch während Visé Grünflächen säubert, wilden Müll beseitigt oder Hausmeistertätigkeiten im Bezirksamt ausübt, geht Fuchs ordnungsamtsähnlichen Tätigkeiten nach – ohne selbst Bußgelder erheben zu dürfen. Beide Männer fungieren als Augen und Ohren vor Ort, als Ansprechpartner für die Anwohnenden. Der Kontakt zu den Menschen ist das, was beiden besonders Spaß macht. „Der familiäre Umgang miteinander ist sehr schön. Mit einigen Bürgerinnen und Bürgern bin ich schon per Du, man kennt sich hier und die allermeisten sind sehr freundlich“, berichtet Visé.

Heinrich Visé war arbeitslos, nachdem sein letzter Arbeitgeber Insolvenz angemeldet und er seinen Arbeitsplatz als LKW-Fahrer verloren hatte. Das Zugehörigkeitsgefühl, das er durch die neue Stelle wiedergewonnen hat, ist ihm besonders wichtig. Außerdem will er ein Vorbild für seine Kinder sein. Nun geht er jeden Tag motiviert zur Arbeit: „Wenn ich mal Urlaub habe, möchte ich spätestens ab der zweiten Woche wieder in meinen Arbeitsalltag zurück.“

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Heinrich Visé ist den Anwohnenden in Aachen-Eilendorf mittlerweile als Ansprechpartner bekannt. © Stadt Aachen / Antonia Knop 

Marlon Fuchs, eingesetzt als Cityservicekraft, bemüht sich, seine Chancen auf Übernahme nach Ablauf der Förderperiode zu erhöhen und sucht gemeinsam mit seinem Jobcoach nach passenden Fortbildungen, die ihm weiteres technisches Know-How beibringen. Anfangs konnte sich Fuchs, der jahrelang im Handwerksbereich gearbeitet, aber durch mehrere Erkrankungen seinen Arbeitsplatz verloren hatte, schwer im Verwaltungskosmos zurechtfinden. Viel Wissen für den neuen Job hat er sich selbst beigebracht, aber auch häufig Kolleg*innen vor Ort gefragt, die ihm stets hilfsbereit zur Seite standen. Er resümiert: „Was besseres als diese Stelle hätte mir nicht passieren können!“

Eine Erfolgsgeschichte

Die THCG- Maßnahme ist für die Stadt Aachen eine Erfolgsgeschichte, die so nicht selbstverständlich ist. Die Stadt, insbesondere der Fachbereich Personal und Organisation, wird inzwischen häufig von anderen Kommunalverwaltungen kontaktiert und zur Umsetzung des Programms befragt.

Während die Stadtverwaltung sehr positiv auf die Maßnahme blicken kann, ist eine Anstellung für die THCG-Kräfte gleichbedeutend mit der Reintegration in die Gemeinschaft. Sie haben wieder einen alltäglichen Rhythmus, sprechen mit Kolleg*innen und werden gebraucht. Halit Deniz Eyidogan, Jenny, Heinrich Visé und Marlon Fuchs haben eines gemeinsam: Sie alle wollen ihre Stelle über die Förderung hinaus behalten und weiterarbeiten.

 

* Jenny möchte ihren Nachnamen nicht in der Öffentlichkeit lesen.

** Der Name wurde auf Wunsch des Betroffenen geändert.

Herausgegeben am 08.04.2025

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