Stadt der Bürger
Die wirtschaftliche Blüte des hochmittelalterlichen Aachen bestimmte auch das Selbstbewusstsein seiner Bürgerinnen und Bürger. Als sie um die Mitte des 13 Jahrhunderts ihr Bürgerhaus, das ältere Rathaus am Fischmarkt, errichteten, schmückten sie dessen Fassade mit einem noch heute erhaltenen Schriftband und wählten dafür als Text die Anfangsworte der um 1200 entstandenen Karlssequenz, die bis in unsere Tage an jedem Karlsfest und bei jeder Verleihung des Karlspreises gesungen wird: "Urbs aquensis, urbs regalis, regni sedes principalis" ("Aachen, du königliche Stadt und erster Sitz des Reiches").
Ähnlich selbstbewusst schufen sie im 14. Jahrhundert auf den Fundamenten der alten karolingischen Königsaula ihr neues Rathaus, dessen nördliche Schauseite sie dekorativ ausgestalteten und dessen vorgelagerten Platz mit seinen vornehmen Patrizierhäusern sie zum Hauptmarkt machten. Im Kaisersaal dieses neuen, jetzt mehrgeschossigen Stadthauses fand wohl seit der Aachener Krönung Karls IV. 1349 auch das nach der Thronerhebung übliche Festmahl statt, so dass Aeneas Piccolomini, der spätere Papst Pius II. (145864), mit gutem Grund dieses monumentale Bauwerk der Stadt Aachen als das "palatium tota Germania nobilissimum", als den vornehmsten Palast von ganz Deutschland bezeichnen konnte. Dessen spätmittelalterlicher Figurenschmuck mit seinen Heiligen und Herrschenden ist im 18. Jahrhundert dem barocken Zeitgeschmack gewichen, um dann im späteren 19. Jahrhundert seinerseits neugotisch umgestaltet zu werden. Dieses heutige ikonographische Programm verbindet in seinen Königs und Kaiserstatuen sowie in seinen fürstlichen Adelswappen die politische Idee des alten Reiches mit den Künsten und Wissenschaften des Mittelalters bzw. den wichtigsten handwerklichen und gewerblichen Zünften der vormodernen Welt.
In dieser alten Welt war die Stadt Aachen am Ende des Mittelalters jedoch auf Grund der allgemeinen europäischen Entwicklung in eine schlimme Isolation geraten. Der politische Schwerpunkt des Reiches hatte sich nach Süden und Südosten verschoben und zum Westen hin entfaltete sich der burgundische Staat. Wegen der fehlenden großen Verkehrswege in Form von Flüssen oder geeigneten Handelsstraßen fand man zudem keine Verbindung zur Hanse und verlor schließlich eine zentrale Rohstoffquelle für die bisher bedeutende Messingherstellung den stadtnahen Galmeiberg, der an die Burgunderherzöge fiel. Hinzu kamen im frühen 16. Jahrhundert die Reformationswirren, die in Aachen mit wechselnden Konstellationen 90 Jahre andauerten und zahlreiche Glaubensverfolgte aus den benachbarten Niederlanden in die Stadt führten. Erst 1614 wurde durch die spanischen Truppen der alte Glaube und politische Zustand wieder hergestellt, woran noch heute die damals geschaffene barocke Karlsfigur auf dem Rathausbrunnen erinnern kann.
In den Glaubenskämpfen und während des 30jährigen Krieges war das mittelalterliche Aachen weitgehend verschont geblieben, bis 1656 90% der städtischen Bausubstanz einem verheerenden Stadtbrand zum Opfer fiel. "O großer Karl, wie ist vom Thron / der Schönheit deine Stadt gesunken, / vom Aschenstaub verdeckt und Funken" mit diesen und weiteren Versen betrauerte der niederlandische Dichter Jost van den Vondel die Zerstörung der spatgotischen Stadt, von der nur wenige Bauten die Brandkatastrophe überstanden und die Zeiten überdauert haben. Zu diesen wenigen zählen das heutige Haus Löwenstein am Markt oder auch der Backsteinbau des heutigen Zeitungsmuseums in der Pontstraße, die damit zu den ältesten Bürgerhäusern Aachens gehören.