Liebe Aachenerinnen und Aachener,
wir halten zusammen, um die Krise zu meistern und deutlich Kräften entgegenzutreten, die versuchen, uns zu entzweien. Was wir in diesen Zeiten brauchen, sind Solidarität, Aufklärung und Geduld. Was wir nicht dulden, sind populistische, extremistische und antisemitische Kräfte, die die Verunsicherung nutzen, um sich gegen die Grundfeste unserer Demokratie zu richten.
Die Corona-Pandemie hat die Welt seit über zwei Jahren fest im Griff. Bisher sind allein in Deutschland über hunderttausend Menschen an oder mit dem Virus verstorben. Die Inzidenzen der Neuinfektionen sind nach wie vor anhaltend hoch. Ein Ende der Pandemie ist leider noch nicht in Sicht.
Die Menschen in unserer Stadt zeigen seit Beginn der Pandemie einen enormen Einsatz. Jede und jeder Einzelne von uns musste sich einschränken, verändern und anpassen. Vieles wird uns abverlangt mit dem einen Ziel: die Pandemie zu bekämpfen und zu besiegen. Vor Ort wurde dabei viel gearbeitet und geleistet – im Alltag unserer Mitbürger*innen, im Gesundheits und Pflegebereich, im Bildungs und Erziehungsbereich, in den Büros und den Betrieben, im Einzelhandel wie in der Verwaltung, im Kulturleben sowie an vielen anderen Orten.
Kaum ein anderer Bereich steht bei der Bekämpfung der Pandemie derart im Mittelpunkt wie das Gesundheitssystem. Auch wenn die aktuell dominierende Virusvariante in weiten Teilen nur eine milde Symptomatik zeigt, so führt die große Zahl an Erkrankungen zu einer anhaltend hohen Belastung des Gesundheitssystems. Die Beschäftigten des Gesundheitswesens stehen vielerorts am Rande der Belastungsfähigkeit. Lebensnotwendige Behandlungen und Operationen müssen teilweise verschoben werden, das ärztliche und pflegerische Personal ist ausgelaugt. Eine immer noch mögliche Triage muss mit allen Kräften vermieden werden. Die Beschäftigten im Gesundheitssystem verdienen unseren allergrößten Respekt, unsere uneingeschränkte Solidarität sowie die größtmögliche Unterstützung bei der Umsetzung der Maßnahmen und Bemühungen, um die Pandemie in diesem Jahr hoffentlich endlich zu kontrollieren und besiegen zu können.
Mit großer Sorge betrachten wir in diesem Zusammenhang sogenannte Spaziergänge und Demonstrationen, auf denen diese Solidarität immer wieder in Frage gestellt wird. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist uns wichtig. Uns ist bewusst, dass nicht alle Teilnehmenden sogenannte Querdenker*innen sind. Doch versammeln sich dort auch regelmäßig Menschen, welche die Maßnahmen der Pandemiebekämpfung nicht mit sachlichen Argumenten kritisieren, sondern Verschwörungserzählungen und Geschichtsklitterung verbreiten. Unerträglich ist die Verharmlosung des Holocaust durch jene, die sich als vermeintliche Opfer der Corona-Politik inszenieren und dies mit #aachenhältzusammen einem gelben Stern oder anderen Verweisen auf das NSRegime zur Schau stellen. Völlig irrational und ohne jede sachliche Grundlage sind auch die vielfach auf diesen Demonstrationen formulierten Vorwürfe einer „Impfdiktatur“, eines „PharmaFaschismus“, einer „CoronaDiktatur“, der „Eugenik“ oder ähnlich absurde Begriffe. Die Verschwörungserzählungen über angeblich geheime Machenschaften der „Eliten“ werden auch aus dem Kreis der Aachener Impfgegner*innen propagiert und dürfen nicht unwidersprochen bleiben.
Zudem besorgt uns, welche Strömungen diese ProtestAktionen im ganzen Land lenken und beeinflussen. Insbesondere das rechtsextremistische Milieu beteiligt sich über TelegramGruppen maßgeblich an der Organisation von Demonstrationen und „Spaziergängen“ und beeinflusst die Aktivitäten. Auch in Aachen laufen rechte Gruppen aktiv bei den Demonstrationen mit – ohne dass sich die Veranstalter*innen klar von den Parolen gegen den demokratischen Staat distanzieren. Alle, die nun ernsthaft von einer „Corona-Diktatur“ oder einem neuen „Faschismus“ in der Bundesrepublik sprechen, verachten nicht nur unsere staatlichen Institutionen. Sie verlassen den Boden der Aufklärung, welcher die Grundlage für einen demokratischen Dialog ist. Und sie beleidigen all jene, die an vielen Stellen des öffentlichen Lebens höchsten Einsatz gezeigt haben.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat es auf den Punkt gebracht: „Denn wir alle sind diese Demokratie! Wir alle ringen täglich darum, das Richtige zu tun in der zermürbenden Pandemie“.
Liebe Aachenerinnen und Aachener,
auch wir sind der Pandemie überdrüssig. Auch wir sind mürbe und manchmal genervt von den notwendigen Auswirkungen auf unser aller Leben. Auch wir haben oft Fragen oder Zweifel und sind nicht von jeder Maßnahme zur Pandemiebekämpfung überzeugt. Aber wir sehen keine Alternative dazu, die Pandemie mit den von der großen Mehrheit der Wissenschaftler*innen empfohlenen Handlungsweisen zu bekämpfen. Dazu gehören sowohl die Einschränkung von Kontakten als auch das konsequente Impfen der Bevölkerung. Und dazu gehört auch die Solidarität mit all den Menschen, die derzeit in der Verantwortung stehen, diese Maßnahmen vorzubereiten, über sie zu entscheiden und diese umzusetzen. Wir vertrauen darauf, dass ein konstruktives Miteinander und ein solidarischer Umgang aller Akteure uns aus dieser Pandemie herausführen werden.
Wir richten uns daher mit diesem Aufruf an alle Mitbürger*innen und bitten Sie: Lassen Sie sich impfen und leisten Sie dadurch Ihren solidarischen Beitrag zur Bekämpfung dieser Pandemie. Fallen Sie nicht auf jene Individuen herein, die versuchen mit Verschwörungsmythen und abstrusen Vorwürfen diesen Geist der Solidarität in Frage zu stellen. Bleiben sie kritisch! Aber stehen Sie nicht an der Seite von Menschen, die uns trennen und an den Säulen unserer Demokratie rütteln.
Wir erklären unmissverständlich, dass wir den wissenschafts und demokratiefeindlichen Umtrieben der so genannten Impfgegner*innen eine klare Absage erteilen. Gleichzeitig werden wir mit allen einen Dialog führen, die mit uns gemeinsam im demokratischen Diskurs über die erfolgreiche Bekämpfung der Pandemie reden oder auch streiten wollen.